Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
ich vernachlässigte meine eigene Öffentlichkeitsarbeit ebenso wie meine Familie, aber dafür residierte ich Vollzeit in einer herrlichen Traumwelt aus dem Alter trotzenden Augencremes und wimpernverdichtender Mascara. Da ich perfektionistisch (d.h. irre) veranlagt bin, wollte ich mehr als nur irgendeine x-beliebige Beauty-Kolumne kreieren, kein Gestückel irgendwelcher wiedergekäuter Pressemitteilungen. Ich wollte konkurrenzlos komisch und geistreich sein, und in meinem Kopf gab es keinen Platz für irgendetwas anderes. (Zu meinen Triumphen gehörte die Beschreibung von Cliniques Repairwear als »das ist eine Nachtcreme, Jim – aber anders als alles, was wir bisher kannten« und Origins Gloomaway
Duschgel als »Prozac in der Tube«.) Ich schrieb und verbesserte, kürzte, fügte hinzu, feilte und polierte. Ich gebe zu, dass ich besessen war.
Zwar sollte ich Noten zwischen eins bis zehn vergeben, aber ich war so verliebt in all meine Produkte, dass ich nie weiter nach unten gehen konnte als auf acht. Mein Urteil schwankte zwischen acht und neun Punkten, samt allen Dezimalstellen. Gelegentlich bewertete ich etwas mit zehn von zehn Punkten, und ich gestehe, dass ich manchmal auch elf von zehn vergab. Ja, sogar zwölf. Genau genommen ging ich bis fünfzehn, aber nur, wenn ein Produkt das auch wirklich verdiente.
Zu meinem Job gehörte es natürlich auch, dass ich mit den ganzen allmächtigen PR-Damen der Beautybranche verkehren musste, mit den Wächterinnen der Werbegeschenke. Wenn ich bei ihnen anrief, war ich immer total nervös, rasselte meinen Namen und meinen Dienstgrad herunter und schloss mit den Worten: »Wenn Sie also an einem Bericht über Ihre Produkte interessiert sind, dann sagen Sie mir einfach Bescheid.« Mit anderen Worten: »Bitte schicken Sie mir kostenlose Produktproben. Bitte! «
Ich bitte äußerst ungern um Geschenke, aber Aoife erinnerte mich immer wieder daran, dass ich schließlich Artikel über die ganzen Produkte schrieb und den Herstellern damit eine Unmenge Werbung ersparte. Und das Seltsame war, dass es keinen Zusammenhang gab zwischen dem, wie toll eine Marke war und wie freigebig ihre Vertreterinnen waren. Ich hatte gedacht, je teurer und exklusiver die Ware, desto geringer meine Chance, etwas davon zu bekommen. Aber so funktionierte es überhaupt nicht. Echt supertolle Marken, solche, für die ich in der Vergangenheit ein Heidengeld hingelegt hatte – wie beispielsweise Prescriptives und Clinique –, waren phänomenal großzügig und hatten echt nette, freundliche Angestellte, bei denen ich mir kein bisschen wie eine
gierige Nervensäge vorkam. Und Jo Malone, eine der beliebtesten und schönsten Marken auf dem ganzen Planeten, schickte mir so wundervolles Zeug, dass ich mich erst mal für ein Weilchen in meinem abgedunkelten Zimmer hinlegen musste. Bei Chanel hingegen teilte man mir unmissverständlich mit, ich solle mich verpissen. Okay, nicht genau in diesen Worten, aber als ich einer französischen Tussi in ihrem Pressebüro meine Mission erklärte, sagte sie abschätzig: »Wir verstehn nischt: ›Gründlisch getestet‹?« Das wäre für mich das Stichwort gewesen, hohnlächelnd auszurufen: »Ach ja? Sie haben wohl Angst durchzufallen?« Aber da ich die Chance auf kostenlose Chanelprodukte entschwinden sah, katzbuckelte ich schamlos und versprach eine »optimale Berichterstattung«. Leider führte die Kompromittierung meiner journalistischen Integrität zu rein gar nichts – nicht einmal zu einem Gratispröbchen Augenfaltencreme von Chanel.
Aber für jeden Rückschlag gab es auch einen kleinen Triumph. Der Tag, an dem der Decléor-Lieferwagen ankam, beladen mit wunderbaren französischen Pflegeprodukten, war ein weiterer Höhepunkt. Wenn ich mal einen Durchhänger habe, hole ich die Erinnerung daran heraus und poliere sie ein bisschen.
Selbst wenn ein Produkt für meine Haut und meinen Typ verkehrt war, freute ich mich trotzdem, und sobald ich genug davon angesammelt hatte, veranstaltete ich eine große Verschenkparty für Freundinnen und Familienmitglieder.
Es war, als hätte ich jeden Tag Geburtstag. Und nie genau zu wissen, was sich in den Päckchen befand, war dermaßen aufregend … Es konnte alles sein: Ein angesagtes neues Parfüm, eine Nachtcreme, über die ich nächsten Monat in der Vogue lesen würde, ein unentbehrliches Nagelpflegeset, schimmernder Lipgloss, sündhaft teures Serum – oder Herpessalbe. Letzteres ein einmaliger Unglücksfall. Jeden Morgen,
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