Pretty Daemon
wir uns nur geirrt, wer der Erwählte aus der Prophezeiung war.
Ich wirbelte herum und schlug dabei einen Dämon entzwei. Hinter mir trieb Gora-don noch immer sein teuflisches Spiel mit David, der inzwischen blutend am Boden lag. Er war von den Klauen des Monsters am ganzen Körper zerkratzt.
Für den Dämon war das Ganze wirklich nur noch ein Spiel. Er hielt sich für unbesiegbar und hatte vor, sich so lange mit David und mir zu amüsieren und uns zu quälen, bis er seine Rachegelüste befriedigt hatte. Dann würde er von uns ablassen und uns töten.
Ich biss die Zähne zusammen. Nein, so weit würde es nicht kommen – jedenfalls nicht, wenn ich irgendetwas damit zu tun hatte.
Stuarts Schreie hallten über den Friedhof, und ich wusste, dass uns kaum mehr Zeit blieb.
»David!«, rief ich und warf ihm das Himmelsschwert zu. Verblüfft sah er es auf sich zukommen. »Benutze es. Benutze es jetzt!«
»Was?«
»Vertraust du mir?«, entgegnete ich.
Er antwortete mir nicht, sondern rammte das Schwert, das er aufgefangen hatte, bis zum Heft in Gora-dons Magengrube.
Zuerst geschah nichts. Doch dann schien eine Flut von violettem Licht den Dämon zu umtosen. Seine ungläubige Miene hatte beinahe etwas Komisches an sich.
»Wie?«, rief er. »Das geht nicht.«
Doch offenbar ging es durchaus. Das violette Licht verzehrte ihn, und das Monster verschwand mit einem lauten Knall. Gleichzeitig stürzte die Armee der Toten zu Boden. Es blieben nur die menschlichen Hüllen zurück, während die dämonischen Wesen in den Äther gerissen wurden.
Ich sah mich auf dem Friedhof um, der wie ein Schlachtfeld aussah. Was würde wohl der Friedhofswärter sagen, wenn er die ausgegrabenen Leichen fand?
»Was ist passiert?«, rief Stuart. Er lag zwar noch auf dem Boden, doch seine Stimme klang kräftig.
»Wir haben gewonnen«, antwortete ich und atmete tief durch.
»Ja, das haben wir«, sagte Eddie.
Nur David schwieg. Er sah mich fragend und ein wenig fassungslos an.
»Ich war nicht diejenige, von der die Prophezeiung sprach«, erklärte ich.
Auf einmal hatten so viele Hinweise einen Sinn ergeben: Erics blutige Hand hatte vor vielen Jahren die Tür zu Abaddons Kammer geöffnet. Seine immer wieder nur mühsam unterdrückte Aggressivität. Die Schwärze seiner Augen. Und Abaddons rätselhafte Bemerkungen, die er sowohl in Gestalt von Gora-don hier auf dem Friedhof als auch nach Father Bens Opferung gemacht hatte. Er hatte sich auf das Kardinalfeuer bezogen und von den einstürzenden Wänden gesprochen.
Die Prophezeiung bezog sich nicht auf mich, die ich ein Kind geboren hatte, das ebenfalls zu einer Dämonenjägerin heranwachsen würde.
Sie bezog sich auf Eric, in dessen Seele eine neue Art von Jäger entstand. Ein dämonischer Jäger, der einmal gefangen gewesen war, sich aber durch dasselbe Kardinalfeuer befreien konnte, das uns vor Abaddons Zorn gerettet hatte.
Ich begriff nicht ganz, wie es geschehen war, und auch nicht, warum.
Aber Gora-dons Tod bewies, dass ich Recht hatte.
Eric war zum Teil ein Dämon geworden… Und er kämpfte seit Jahren gegen diese dunkle Seite seines Charakters an.
»Kate…«, sagte er, und ich begriff, dass er verstanden hatte. Und mehr als das: Er kannte das Geheimnis seines geteilten Wesens.
»Es ist in Ordnung«, erwiderte ich und strich ihm mit der Hand über die Wange. Ich berührte das Gesicht des Mannes, den ich so gut zu kennen geglaubt hatte, während ich jetzt allmählich erst begriff, wie wenig ich in Wahrheit von ihm wusste.
»Kate«, sagte er. »Ich liebe dich. Es ist nicht, was du denkst…«
Ich hielt eine Hand hoch, um ihm am Weitersprechen zu hindern. »Ich liebe dich auch«, erklärte ich. »Und das wird sich auch nicht ändern.« Ich schloss die Augen und holte tief Luft, da mir klar wurde, was ich da gerade gesagt hatte. Aber es entsprach der Wahrheit, und ich hatte nicht vor, diese noch länger zu leugnen.
»Ich verstehe zwar nicht alles«, fuhr ich fort. »Aber ich vertraue dir, David. Ich weiß, dass du mir alles erklären wirst, wenn es an der Zeit ist.« Erneut atmete ich tief durch und gab ihm dann einen Kuss auf die Wange. »Doch jetzt muss ich mich erst einmal um meinen Mann kümmern.«
»Kate«, murmelte Stuart, als ich mich neben ihm niederkniete. »Du führst ein recht aufregendes Leben.«
»Ja, es hat so seine Momente«, erwiderte ich. »Geht es dir gut?«
»Ich fühle mich zwar noch etwas lädiert, aber ich werde überleben.«
»Ich auch«, erklärte ich.
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