Pretty - Erkenne dein Gesicht
schon, Tally-wa. Du kannst mich nicht mehr belügen." Shay legte den Arm um Tally. "He, weißt du noch, die verrückten Gesichter, die ich entworfen habe, als wir Uglies waren? Dr. C lässt sie mich jetzt machen. Schlitzer können jede Opi kriegen, die sie wollen. Nicht mal das Pretty-Komitee kann uns vorschreiben, wie wir aussehen dürfen und wie nicht."
„Das muss ja toll sein, Shay-la."
"Ich und meine Schlitzer sind das neue Prickelelement bei den Besonderen Umständen. Sozusagen spezielle Specials. Hat das nicht den totalen Glücks-Faktor?"
Tally wandte sich Shay wieder zu, sie versuchte zu erkennen, was sich hinter den blitzenden rotlila Augen verbarg. Hinter den Pretty-Worten hörte sie in Shays Stimme eine kalte, gelassene Intelligenz, eine unbarmherzige Freude darüber, dass ihr ihre alte Verräterin ins Netz gegangen war.
Shay war eine neue Art von grausamer Pretty, das konnte Tally sehen. Sie war sogar noch schlimmer als Dr. Cable. Weniger menschlich.
"Bist du wirklich glücklich, Shay?"
Shays Mund zitterte, ihre scharfen Zähne bohrten sich für einen Moment in ihre Unterlippe und sie nickte. "Das bin ich, jetzt, wo ich dich wiederhabe, Tally-wa. Das war wirklich nicht nett, dass ihr einfach alle abgehauen seid, ohne mich. Totaler Frust-Faktor."
"Wir wollten dich doch dabeihaben, Shay, das schwöre ich dir. Ich hab dir jede Menge Pings geschickt."
"Ich hatte zu tun." Shay versetzte dem sterbenden Feuer einen Tritt. "Musste mich aufschlitzen. Ein Heilmittel suchen." Sie schnaubte. "Außerdem habe ich diese Campingsache satt. Und jedenfalls sind wir jetzt ein Team, du und ich."
"Wir sind Gegnerinnen", flüsterte Tally kaum hörbar.
"Nie im Leben, Tally-wa." Shays Hand grub sich in ihre Schulter. "Ich hab diese ganzen Missverständnisse und das böse Blut zwischen uns satt. Von jetzt an sind du und ich Freundinnen fürs Leben."
Tally schloss die Augen. Das war also Shays Rache.
"Ich brauch dich bei den Schlitzern, Tally. Die haben den totalen Prickel-Faktor."
"Das kannst du mir nicht antun", flüsterte Tally und versuchte sich loszureißen.
Shay hielt sie fest. "Das ist es ja gerade, Tally-wa. Ich kann."
"Nein!", schrie Tally, schlug um sich und versuchte auf die Beine zu kommen.
Blitzschnell schoss Shays Hand vor und Tally spürte einen scharfen Stich im Nacken. Gleich darauf senkte sich ein dichter Nebel über sie. Sie konnte sich noch losmachen und ein paar Schritte stolpern, aber ihre Glieder schienen sich mit flüssigem Blei zu füllen und sie sank zu Boden. Eine graue Wand schob sich zwischen sie und das Feuer, die Welt wurde dunkel.
Wörter taumelten durch die Leere auf sie zu, getragen von einer rasierklingenscharfen Stimme: "Find dich damit ab, Tally-wa, du bist ..."
Pfusch-Träume
In den folgenden Wochen wurde Tally niemals so richtig wach. Ab und zu bewegte sie sich und die Berührung mit Laken und Kissen sagte ihr, dass sie im Bett lag, aber zumeist schwebte ihr Geist getrennt von ihrem Körper dahin und tauchte immer wieder in unzusammenhängende Versionen desselben Traums ein …
***
Es war einmal eine schöne Prinzessin, die in einem Turm eingesperrt war, einem Turm mit Spiegelwänden, die einfach nicht die Klappe halten wollten. Es gab keinen Fahrstuhl und auch sonst keinen Weg nach unten, doch als die Prinzessin es satthatte, ihr hübsches Spiegelbild anzuschauen, beschloss sie zu springen. Sie lud all ihre Freunde ein mitzumachen und alle folgten ihr - außer ihrer besten Freundin, deren Einladung verloren gegangen war.
Der Turm wurde von einem grauen Drachen mit Juwelen-Augen und hungrigem Schlund bewacht. Der Drache hatte viele Beine und bewegte sich so schnell, dass man es fast nicht sehen konnte, aber er stellte sich schlafend und ließ die Prinzessin und ihre Freunde vorbeischleichen.
Und so ein Traum brauchte natürlich auch einen Prinzen.
Der Prinz war schön und hässlich zugleich, prickelnd und ernst, vorsichtig und kühn. Anfangs lebte er mit der Prinzessin im Turm, aber später im Traum war er offenbar die ganze Zeit draußen gewesen und hatte auf sie gewartet. Und auf eine traumlogische Weise war er oft zwei Prinzen, zwischen denen sie sich entscheiden musste. Manchmal entschied die Prinzessin sich für den schönen Prinzen, manchmal für den hässlichen. Und jedes Mal brach ihr dabei das Herz.
Und egal welchen sie nahm, das Ende des Traums änderte sich nie. Die beste Freundin, die, deren Einladung verloren gegangen war, versuchte immer der
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