Pretty Little Liars - Makellos
Ihr Vater machte einen Schritt auf sie zu und sie wich einen Schritt zurück und knallte gegen die geöffnete Tür. Sie versuchte, es nach Absicht aussehen zu lassen. »Komm rein«, sagte sie, und Ärger schwang in ihrer Stimme offen mit.
Sie standen in der Diele. Hanna spürte, dass ihr Vater sie musterte. »Es ist schön, dich zu sehen«, sagte er.
Hanna zuckte mit den Schultern. Sie hätte gerne eine
Zigarette gehabt, um ihre Hände zu beschäftigen. »Okay. Willst du die Papiere? Sie liegen hier.«
Er ignorierte ihre Worte und kniff die Augen zusammen. »Ich wollte dich am Montag schon danach fragen. Deine Haare … irgendwas ist anders an ihnen. Sind sie … kürzer?«
Sie grinste. »Dunkler.«
Er schnippte mit den Fingern. »Das ist es! Und du hast deine Brille nicht auf.«
»Ich habe mir die Augen lasern lassen.« Sie starrte ihn an, bis er verlegen wegsah. »Vor zwei Jahren.«
»Oh.« Ihr Vater vergrub die Hände in den Hosentaschen.
»Hast du etwas dagegen?«
»Nein«, sagte ihr Vater schnell. »Du siehst nur … so anders aus.«
Hanna verschränkte die Arme. Als ihre Eltern die Scheidung beschlossen, hatte sie geglaubt, es sei wegen ihr. Weil sie fett geworden war. Und tollpatschig. Und hässlich. Als sie dann Kate sah, war das wie ein Beweis. Ihr Vater hatte sich eine Ersatztochter zugelegt, mit der er sich zeigen lassen konnte.
Nach der Annapolis-Katastrophe hatte ihr Vater sich bemüht, den Kontakt zu halten. Anfangs gab Hanna ihm nach und führte ein paar mürrische, einsilbige Telefonate mit ihm. Mr Marin versuchte, aus ihr herauszukitzeln, was los war, aber Hanna war es zu peinlich, darüber zu reden. Schließlich wurden die Abstände zwischen ihren Gesprächen länger und länger und irgendwann herrschte Funkstille.
Mr Marin schlenderte durch die Diele, der Holzfußboden knarrte unter seinem Gewicht. Hanna fragte sich, ob er wohl bemerkte, was sich verändert hatte und was gleich geblieben war. Fiel ihm auf, dass das Schwarz-Weiß-Foto von ihr und
ihm, das über dem Shaker-Telefontisch gehangen hatte, durch eine Lithografie ersetzt worden war, die eine Frau beim Yoga-Sonnengruß zeigte? Ihr Vater hatte den Druck gehasst, aber ihre Mutter liebte ihn.
Ihr Dad ließ sich auf die Couch im Wohnzimmer fallen. Der Raum wurde bei den Marins selten genutzt. Er war dunkel, viel zu vollgerümpelt, auf dem Boden lagen hässliche Orientteppiche und es roch nach Möbelpolitur. Hanna blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, und sie nahm auf einer Ottomane mit Löwenfüßen Platz, die in der Ecke stand.
»Also. Wie geht es dir, Hanna?«
Sie zog die Beine hoch. »Ganz gut.«
»Fein.«
Schweigen. Hanna hörte, wie Dots winzige Krallen über den Küchenfußboden klackerten und er schlabbernd Wasser aus seiner Schüssel trank. Sie wünschte sich sehnlichst eine Unterbrechung – einen Anruf, einen Feueralarm, selbst eine neue SMS von A. Alles war besser als dieses Schweigen.
»Und wie geht’s dir?«, fragte sie schließlich.
»Nicht schlecht.« Er nahm ein mit Quasten verziertes Kissen und hielt es auf eine Armlänge Abstand. »Gott, diese Dinger waren schon immer schrecklich hässlich.«
Hanna war seiner Meinung, aber waren die Kissen in Isabels Haus etwa perfekt?
Ihr Vater sah auf. »Erinnerst du dich noch an dein Lieblingsspiel? Du hast die Kissen auf den Boden gelegt und bist von einem zum anderen gesprungen, weil der Fußboden aus Lava war?«
»Dad.« Hanna rümpfte die Nase und umschlang ihre Knie fester.
Er knautschte das Kissen. »Du hast das stundenlang gespielt.«
»Ich war sechs.«
»Erinnerst du dich an Cornelius Maximilian?«
Sie sah auf. Seine Augen leuchteten. »Dad.«
Er warf das Kissen in die Luft und fing es wieder auf. »Soll ich nicht von ihm reden? Ist es zu lange her?«
Sie schob das Kinn vor. »Wahrscheinlich.«
Innerlich musste sie jedoch lächeln. Cornelius Maximilian war ein Insiderwitz. Ihr Dad hatte ihn erfunden, nachdem sie im Kino zusammen Gladiator angeschaut hatten. Hanna war sehr stolz darauf gewesen, dass er sie in einen brutalen Actionfilm mitgenommen hatte, aber sie war erst zehn gewesen, und die vielen blutigen Szenen spukten ihr im Kopf herum. Sie war überzeugt, vor lauter Angst nicht einschlafen zu können, also erfand ihr Vater an jenem Abend Cornelius, um sie zu beruhigen. Cornelius war der einzige Hund auf der Welt – ein Pudel, je nach Laune auch mal ein Terrier -, der stark und mutig genug war, in der Gladiatorenarena mitzukämpfen. Er
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