Price, Richard
ganze Weile auf seine Schuhe starren, und dann würde Andre damit enden,
dass er sagte: »Pass bloß auf dich auf, weil, ich würde es hassen, wenn du
eines Tages meine Handschellen trägst ...« Er würde dem Ganzen den letzten
Schliff geben, indem er dem Jungen eine Andre-bärengleiche Umarmung verpassen
und sagen würde: »Weil, du bist mein besonderer Mann, das weißt du doch, oder?«
Strike
kannte all diese Worte nur zu genau: Es handelte sich exakt um jenen Vortrag,
den Andre ihm gehalten hatte, inklusive der Umarmung, als Strikes Mutter vor
vier Jahren zu Andre gegangen war, nachdem ein inzwischen seit langem
verschwundener lokaler Crewboss Strike seinen Haarschnitt
verpasst hatte. Das war zwei Jahre bevor er jemals etwas von Rodney Little
gehört hatte, und Strike war sich sicher, dass er diesen Tag nie vergessen
würde - den Besuch in Andres altem Kellerbüro, die gemischten Gefühle aus
Hunger und Verachtung, mit denen er Andre begegnete, dessen offensichtliches
Spiel, und dann hatte diese unerträgliche Eifersucht von ihm Besitz ergriffen,
als Andre ihn aus seinem Büro führte und sie an einem anderen Jungen
vorbeikamen, der in der Tür stand und auf seine Unterredung
von Mann zu Mann wartete.
Die Hitze
in der Küche und der Müllgestank waren kaum zum Aushalten, und Strike stand
auf. Er drehte sich um und erstarrte beim Anblick des behinderten Sohnes, eines
dicken, gummigesichtigen Mannes mit feuchter hängender Unterlippe, der in der
Küchentür stand und zögernd lächelte, während seine Fingerspitzen zart vor
seiner Brust spielten. Strike hatte keine Ahnung, wie er sich dem Burschen
gegenüber verhalten sollte - er war nie allein mit ihm gewesen, hatte ihn noch
nie ohne seine Eltern gesehen. Der geistig Behinderte, der ebenfalls ein wenig
nervös zu sein schien, verkündete: »Mein Vater war Lokomotivführer. Er hat
mich sogar mal mitgenommen.«
Strike
verspürte einen wachsenden Druck in seiner Brust. Wie auf Knopfdruck zog er
seine Geldrolle aus der Tasche, zog einen Fünf-Dollar-Schein heraus, reichte
ihn dem Kerl und brüllte: »Hier.« Er schob ihn sanft ins Wohnzimmer zurück,
ging schnell an ihm vorbei, wanderte eilig durch die stinkende Wohnung und
machte sich auf den Rückweg zu den Bänken.
Er hatte
nichts, wohin er sonst hätte gehen können.
Genau wie
Strike es erwartet hatte, kam Andre später noch einmal zurück. Er hatte jetzt
sein Jagdgesicht aufgesetzt, beobachtete Strikes Crew und versuchte, jemanden
nervös genug zu machen, dass er weglief.
Strike saß
still auf seinem Thron und sah zu, wie sich das Spiel entwickelte. Peanut
deutete auf Andre und brummte in einem tiefen Bass »Fünf-Null! Fünf-Null!
Fünf-Null!«, als sei es seit neuestem okay, sich auffällig zu benehmen, da
Andre es ja auch so machte. Grinsend streckte ihm Futon sein getürktes Glas
entgegen, und Horace tanzte von einem Fuß auf den anderen, während seine Büchertasche
hin und her pendelte und über seine Schnürsenkel hinwegstrich. Strike sah, wie
Andre Horace aus weiter Entfernung anstarrte, und Horace verlor die Nerven, als
der riesige Bulle direkt auf ihn zukam. Als Andre drei Meter entfernt war,
rannte Horace die Straße entlang und ließ seine Schultasche auf dem Boden
liegen.
Andre
setzte sich neben Strikes Turnschuhe auf die Bank, legte die Schultasche in den
Schoß und seufzte. »Sag mal, wo rennt er eigentlich hin?«
Strike
zuckte mit den Schultern.
Andre führ
sich mit der Hand übers Gesicht, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen, was
mehr als wahrscheinlich war, weil er neben seinem Job als
Vollzeit-Einmannstreife in Roosevelt fünf Nächte die Woche für die
Drogenfahndung arbeitete.
Ein Typ in
Drillichjacke und roten Turnschuhen kam zur Bank, sah von Andre zu Peanut, dann
von Andre zu Futon, ohne drauf zu kommen, was hier faul war. »Wo gibt's die
Ampullen?«
Andre
zwinkerte ihn überrascht an. »Bist du bescheuert oder was?«
Der Typ
nickte, als stimme er zu, und trottete dann davon.
»Verdammt.«
Andre schüttelte den Kopf und öffnete dann die Schultasche in seinem Schoß.
»Was haben wir denn hier?« Er zog ein Englischbuch hervor, ein Mathebuch, ein
Steakmesser, einen einzelnen Ordner. Andre klappte den Ordner auf, und Strike
sah Horaces kindliche Schrift aus dem gerade zu Ende gegangenen Schuljahr:
Hausaufgaben, Rechtschreibtests, Aufsätze; nichts davon machte einen
vollständigen Eindruck, das Gekritzel eines zukünftigen Versagers.
Und dann
tauchten vom Grund der
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