Price, Richard
dachten - Sie wissen, was ich meine, Sie sind
ein ganzer Kerl.«
»Hören
Sie, lassen Sie mich mit ihm reden.«
»Er ist
gegangen.«
»Er ist
gegangen? Ich hab doch gerade mit ihm gesprochen. Wollen Sie mir
erzählen, dass er Ihnen gerade den Hörer gegeben hat und mitten im Gespräch
gegangen ist?«
»Rocco, er
kann Sie nicht spielen, er kann nicht in Ihrer Gesellschaft sein, verstehen
Sie?«
»Das ist
nicht fair.«
»Ich weiß,
ich weiß.«
»Das ist
nicht... Ein Kerl sollte seinen Mund aufmachen und solche Dinge rechtzeitig
sagen, verstehen Sie? Er sollte sagen: >He, ich bin bei den Anonymen
Alkoholikern<, irgendwas ... Das ist nicht meine Schuld, das ist Bullshit.«
Rocco war der Film im Moment gleichgültig, im Augenblick war er von dem Gefühl
erfüllt, in eine Falle getappt zu sein, die durch die Charakterschwäche des
Schauspielers gelegt worden war.
»Ich weiß,
ich weiß.« Sie seufzte.
Rocco
hielt den Hörer für einen Moment im Schoß, spürte eine Mischung aus Panik und
Erleichterung, sagte sich, dass er das Ganze in gewisser Weise verdiente, weil
er seine eigene Integrität verraten und sich in eine Art Arschkriecher feiner
Leute verwandelt hatte. »Ich weiß, Rocco«, sagte Jackie erneut.
»Das ist
also gegessen, richtig? Und der Kerl kann es mir nicht mal selber sagen.« Rocco
rieb sich die Augenhöhlen: Lass es bleiben, lass es bleiben.
»Es tut
mir wirklich leid.«
Rocco
zermarterte sich das Hirn, während er nach einem witzigen Auf Wiedersehen
suchte, nach irgendetwas, um ihr zu zeigen, dass diese kleinere Enttäuschung
ihn nicht mehr als einen Lacher kostete, aber dann entfuhr es ihm: »Wie steht's
mit diesem Ökofilm?«
»Was ist
damit?«
Rocco
lehnte seine Stirn an das Telefon und betrachtete seine Fingernägel. »Glauben
Sie, dass da vielleicht was für mich drin ist? Ich weiß nicht, ich meine nicht
notwendigerweise eine Schauspielsache, aber wissen Sie, vielleicht brauchen Sie
jemanden für die Sicherheit oder so was?«
»Rocco
...«
»Ich hab
nur 'n Witz gemacht, Jackie.« Seine Stimme klang hohl vor Demütigung. »Ich hab
nur 'n Witz gemacht, 'n Witz.«
***
Am Sonntag
wachte Strike kurz vor Mittag auf und schüttelte die letzten Bruchstücke eines
Traums von Papi ab - Papis Wagen bekam Flügel, hob wie ein Flieger ab und
überquerte den Hudson -, und obwohl er so gut wie nie in die Zeitung sah,
kaufte sich Strike auf dem Weg zu den Bänken eine fette Sonntagsausgabe des Dempsy
Advocate, um zu sehen, ob sich dort eine Story fand über das, was er
in der Nacht zuvor erlebt hatte.
Er
brauchte nicht weit zu blättern; selbst von der anderen Straßenseite aus
konnte er die Schlagzeilen im Zeitungsständer lesen - Tunnel des todes . Er nahm
die Zeitung und entdeckte ein körniges Schwarzweißfoto, das die Titelseite
beherrschte, Papi in seinem Wagen mit an die Brust gedrücktem Kinn und
glasigen Augen. Er war im Holland Tunnel direkt an der Staatsgrenze gegen die Wand
geknallt und hatte die gesamte Röhre in New Yorker Richtung für Stunden
unbefahrbar gemacht.
Die
Zeitung berichtete ebenfalls, dass es eine große Debatte darüber gäbe, ob sich
die Behörden von New York oder Hudson County um diesen Fall zu kümmern hätten.
Doch Papi war weit genug weg gewesen, dass Dempsy in dem Artikel nicht einmal
erwähnt wurde.
Wenigstens
zwei Leute waren nun tot, aber ein paar Minuten später hockte Strike auf
seinem Stammplatz, und der Hauptteil der Zeitung lag gefaltet und geviertelt
auf seinen Knien.
Der
Nachmittag verlief ereignislos, aber gegen Abend nahmen die Geschäfte rund um
die Bänke zu. Die Crew schien von Strikes Verfolgungswahn angesteckt worden zu
sein, alle verhielten sich ein wenig gereizter als sonst. Schließlich fing
Horace an, sich auf dem Gehsteig mit einem Weißen zu streiten, beide reckten
ihre Arme vor und brüllten. Horaces Gesicht lief rot an vor Wut, bevor er
schließlich den Typen stehen ließ, ihm den Rücken zukehrte und zu Strike herüberstürmte.
»Dieses Arschloch
sagt, er hat nem Typen um die Ecke hundert Dollar für 'nen Clip gegeben, sagt,
der Typ wollte vorbeikommen und den Stoff bei mir abholen. So ein Arschloch. Da
gibt's keinen Typen. Der will mich verarschen.« Obwohl bereits Sommerferien waren,
hatte Horace seine Schultasche dabei, und Strike dachte: >Der Junge geht
doch sonst nie zur Schule, wieso hat er ausgerechnet heute seine Bücher
dabei?<
Strike sah
an Horace vorbei. Der Weiße stand auf dem Gehsteig, trat nervös von einem
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