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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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das hohe rußverdreckte Countygefängnis, das über einen
Tunnel mit dem Gericht und dem Bürokomplex verbunden war.
    Er hatte
eine Nacht in dem Gebäude zugebracht, zusammengerollt im Käfig gelegen und auf
seine morgendliche Vernehmung gewartet. Zwei Stunden hatte es gedauert, bis
Rodney eingeschritten war, und bis dahin waren ihm nicht nur seine Turnschuhe
geklaut worden, sondern obendrein hatte noch jemand seinen Ellbogen mit einem
Bic-Feuerzeug angesengt. Seither hatte er den Leuten oft erzählt, er würde sich
eher die Birne wegpusten, als je wieder dort zu landen, doch statt ehrlich zu
werden, war er übervorsichtig geworden, als ob die Lektion im Knast ihm
beigebracht hätte, wie wichtig es war, sich nicht schnappen zu lassen.
    Aber nun
war Victor irgendwo in dieser sechsgeschossigen Jauchegrube, ohne einen
Rodney, der ihn da herausholte, und es gab nichts, was Strike tun konnte, um
ihm zu helfen.
    Strike
fragte sich, ob Victor okay war. Vielleicht: Manchmal konnte er ein zähes
Arschloch sein, dickköpfig und gradlinig, und er hatte seine stahläugige
Ehrwürdigkeit genutzt, um seit drei Jahren die gesamte wild umherwirbelnde
Fastfood-Küche zu kontrollieren, ohne ein einziges Mal seine Stimme zu erheben.
Strike hatte seinen Bruder bei der Arbeit im >Hambone's< gesehen, wie er
von Kuchenblech zu Eisschrank, von Fritteuse zu Spülmaschine gegangen war und
seine Anweisungen mit einem knappen >bitte< und >danke< am Anfang
und Ende jedes Befehls gegeben hatte; er hatte es zum obersten Gebot in der
Küche des >Hambone's< gemacht, dass bei jedem Satzende ein Bitte oder
Danke angehängt wurde, ganz gleich, wie hektisch es zuging. >Vielleicht<,
dachte Strike, >sollte ich ihn besuchen gehen und herausfinden, was mit
Buddha Hat und Darryl los war.<
    »Aber
nicht heute<, beschloss er und stieg aus dem Wagen. Der Hamburger fing an,
wieder hochzukommen, als er den Hügel hinauf und dann zur Vorderseite der
Stadtverwaltung ging. Er schob sich durch die Drehtür, roch den giftigen
Gestank von Messingpolitur, den Geruch von Autorität in seinem Leben, arbeitete
sich dann durch die Sicherheitskontrolle, warf seine Schlüssel in eine Plastikschale
und ließ sich nach Metall absuchen. Er ging durch das marmorne Foyer zur
Treppe, erinnerte sich an Victor in jener Nacht in der Bar und dachte daran,
wie sich all diese Würde nach ein paar Drinks in Dummheit verwandelt hatte. Als
Strike noch zu Hause gewohnt und auf dem Sofa geschlafen hatte, hatte Victor
damit begonnen, heimlich zu trinken - seine Cocktailbar war normalerweise eine
Küche um Mitternacht oder ein geparktes Auto. Aber Strike hatte es ihm nie
vorgehalten: Selbstkontrolle war wichtig, trotzdem musste ein Mann irgendein
Ventil zum Dampfablassen haben. Er hatte seinen Bruder bloß noch nie für einen
Tresenhänger gehalten.
    Strike trottete die zwei Treppen in das Untergeschoss
des Gebäudes hinunter und ging dann durch einen langen hallenden Flur voller
Bullen, Opfer, Sozialarbeiter, Sekretärinnen und Angeklagter, die auf Kaution
draußen waren. Er ging jetzt schnell, stellte sich Victor letzte Nacht in dem
Käfig vor, all diese abgehärteten Arschlöcher, die ihn da drin rumschubsten,
ihm sein Essen, seine Kleidung, seine Pritsche und seine Würde nahmen, aber
jedes Mal bitte und danke sagten. Strike spürte etwas Sandiges in seinem Kopf
aufsteigen, und dann fiel ihm ein, dass das nicht der Hamburger sein konnte,
der ihm wieder hochkam: Während der ganzen Zeit, die er im >Royal Round<
damit verbracht hatte, Rodney zuzuhören, hatte er nicht einen Bissen zu sich
genommen.
     
    Strike saß in dem winzigen Wartebereich des Büros der
Bewährungshilfe; er hatte einen der beiden himmelblauen Plastikstühle der
baumwollbezogenen karierten Couch vorgezogen, weil der Stoff den Gestank und
das Krabbelzeugs aus den Haaren und Kleidern der Leute aufnehmen konnte.
Außerdem war die Couch von einem hellhäutigen Typen besetzt, der getrocknetes
Blut auf dem T-Shirt und ein derart geschwollenes Gesicht hatte, dass Strike
nicht sagen konnte, ob er Puerto-Ricaner oder Weißer war. Der Kerl trug keine
Schuhe, nur Hausschlappen, die seine krätzigen und geschwollenen Knöchel nicht
verbargen. Strike glaubte daran, dass es nicht schlecht war, ein bisschen
abgerissen auszusehen, wenn man seinen Bewährungshelfer aufsuchte, damit
niemand auf die Idee kam, dass man immer noch als Clocker arbeitete, doch das
hier war etwas völlig anderes. Am besten war es, sich unauffällig zu

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