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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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hatte, um herauszufinden, wohin sie unterwegs waren. Als
der Aufzug seine langsame, klapprige Fahrt in den zehnten Stock begann,
betrachtete Rocco den Jungen genauer, der wiederum interessiert den Boden fixierte.
    »Wo willst du denn hin?«
    »Zu einem
Freund.« Seine Stimme klang schüchtern und weit entfernt.
    »Du hast
auf keinen Knopf gedrückt.« Der Junge zögerte und drückte dann auf die Neun.
»Du wärst beinah umsonst einen Stock zu weit gefahren.« Als sich die Aufzugtür
im neunten Stock öffnete, bellte Rocco: »He!«
    Der Junge
wandte sich mit gehetztem Blick zu Rocco um, der mit einer Hand die Aufzugtür
aufhielt.
    »Wer ist
denn Mister Big?«, grummelte Rocco auf die Harte-Burschen-Tour aus einem
zweitklassigen Film. Zu Roccos Überraschung verstand der Junge den Witz; sein
Gesicht wurde flach vor Freude, er schloss die Augen und kicherte eine Sekunde
lang vor sich hin, bevor er den Flur hinunterrannte.
    »Netter
Bursche.« Rocco hielt die Fahrstuhltür auf, bis er die Treppenhaustür am Ende
des Gangs zuschlagen hörte. Der Junge war auf dem Weg zurück zur Straße, um als
guter Soldat auch prompt Meldung zu machen.
     
    Rocco und
Mazilli gingen den langen, verstunkenen graffitiübersäten Flur zum Apartment 1
ID. Rocco drückte ein paarmal auf die Klingel, bevor er ein schwerzüngiges
Raunzen hörte.
    »Hallo da
drinnen. Rocco Klein, Büro des Staatsanwalts«, brüllte er und befingerte seine
Dienstmarke in ihrer Klarsichthülle.
    Ein
übergewichtiges Mädchen von etwa neunzehn Jahren öffnete die Tür, sah Rocco aus
trägen Augen an und ignorierte seine Dienstmarke.
    »Sind Sie ShaRon?«
    Sie gab keine Antwort, sondern ging einfach ins
Wohnzimmer zurück und ließ die Tür offen stehen. Sie setzte sich auf die Kante
eines Sessels und glotzte mit großen Augen auf die Mattscheibe eines Fernsehers.
    Mazilli trat hinter Rocco ein und schloss die Tür. Ein
Baby und ein kleiner Junge schliefen auf einem Klappsofa neben dem monstergroßen
Fernseher, und in der hinteren Ecke des Wohnzimmers, in einem türlosen Bogen zu
einer winzigen Küche, stand eine ältere Frau mit dem Rücken zu ihnen und
arbeitete energisch an einem Bügelbrett.
    Rocco stellte sich zwischen das Mädchen und den
Fernseher. »Sie sind ShaRon, richtig?«
    Sie nickte blind und kratzte sich vorsichtig mit einem
rosafarbenen Fingernagel am unteren Rand ihrer Nasenlöcher.
    Rocco machte einen Schritt auf die Frau am Bügelbrett
zu und erhob die Stimme. »Sind Sie Mrs Dunham?«
    Die Frau nickte, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.
    Rocco sprach wieder mit dem Mädchen. »Können wir uns
eine Minute setzen? Ihnen sagen, warum wir hier sind?«
    »Hmm-hmm«, murrte ShaRon, ohne ihnen einen Platz
anzubieten. Sie traten an dem Sofa vorbei und setzten sich vorsichtig auf zwei
Stühle an einem kleinen Esstisch, der sich direkt an der Wohnzimmerwand
befand.
    Rocco war beeindruckt; die Wohnung war vollgestopft,
aber sauber. Der Esstisch war bereits für das morgige Frühstück gedeckt - Cornflakesschüsseln
und Bestecke auf plastikbeschichteten Platzdeckchen -, und die Küche jenseits
des Bügelbretts machte den Eindruck von geschrubbter Fleckenlosigkeit.
    »Haben Sie schon mit Victor gesprochen?« Rocco
blinzelte quer durchs Zimmer eine Wand an, die mit gerahmten Familienfotos bedeckt
war.
    »Ja.« ShaRons Blick wanderte vom Fernseher zu dem Baby
und dem auf dem Sofabett lümmelnden Jungen hinüber. »Wie hoch ist die Kaution?«
    »Fünfzigtausend«, sagte die ältere Frau und schüttelte
ein feuchtes Hemd aus.
    Rocco vernahm ein keuchendes Geräusch aus der Küche und
fragte sich, ob da etwas auf dem Ofen überkochte.
    »Sein Fall wird in zwei Wochen dran sein«, sagte er zu
dem Rücken der alten Dame. »Wer ist sein Anwalt?«
    »Mister Newton.« Die ältere Frau schüttelte das Hemd
noch einmal, und Rocco ging auf, dass das keuchende Geräusch von der Frau
selbst kam: Es handelte sich um das Geräusch mühsamen Luftholens.
    »Jimmy Newton? Guter Mann. Bin mit ihm zur Schule
gegangen.« Rocco warf Mazilli einen Blick zu und sprach dann wieder in den
Raum. »Victor - hat er irgendwas zu Ihnen gesagt, als Sie mit ihm gesprochen
haben?«
    Niemand antwortete.
    »Wussten Sie, dass er eine Waffe hatte?«
    Wieder keine Antwort. Rocco sah, wie ShaRon in die
Glotze stierte, und dachte: >Scheiß drauf, der Junge sitzt ein, warum mach
ich mir überhaupt Gedanken?< Das war wieder mal typisch: Die Familie des
Täters behandelte ihn wie ein Stück Dreck, als sei

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