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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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bei den Bänken, bedrückt und nervös; die Wohnung
der Dunhams, die Luft stickig von unterdrückten Gefühlen; Victor, der Rocco im
Vernehmungszimmer wie versteinert gegenübersaß, während sich die Wahrheit wie
Rauch in der Luft auflöste. Victor: Rocco wünschte, er könnte noch mal ganz von
vorn mit dem Jungen anfangen, vor allen Dingen, wenn er in Betracht zog, was er
seit der Verhaftung herausgefunden hatte. Aber dazu gab es keine Gelegenheit
mehr; ein Anwalt musste nicht ganz bei Trost sein, wenn er dem verhaftenden
Beamten irgendwelchen Kontakt zu seinem Klienten erlaubte.
    Rocco
versuchte, wieder einzuschlafen, konnte aber nicht. Die Mutter hatte ihm
gesagt, dass der Junge sich Jimmy Newton zum Verteidiger genommen hatte. Rocco
und Jimmy kannten sich seit fünfundzwanzig Jahren; Rocco fand, das zählte
vielleicht doch etwas, und er ertappte sich bei dem Gedanken, dass Jimmy ihm
vielleicht gestatten würde, Victor noch einmal zu befragen. Aber das würde bedeuten,
den eigenen Klienten der Gefahr auszusetzen, sich zusätzlich zu belasten, womit
sich Jimmy eine Untersuchung wegen Inkompetenz einhandeln konnte. Keine Chance,
dass Jimmy bei so etwas mitspielen würde.
    Doch die
Idee ließ ihn nicht los, und Rocco fing an, sich eine Stra tegie zu überlegen. >Ist doch nicht so, dass ich da
reinwill, um den Kerl reinzulegen<, dachte er. >He, ich versuche, den
Burschen loszueisen.<
    Rocco drückte sich das Kissen gegen die Augen,
versuchte, diese fixe Idee zu verdrängen. Nach einem langen Augenblick der
Stille rollte er aus dem Bett und sprang unter die Dusche.
    Fast eine Stunde lang streifte Rocco durch die
Gerichtssäle und Cafeterias des Verwaltungsgebäudes. Schließlich fand er Jimmy
Newton auf dem Herrenklo, als der mit einem fetten Kerl mittleren Alters in
einem blutbespritzten Regenmantel und einem kaputten Paar Hauslatschen aus
einer Kabine kam.
    Der fette Kerl trat auf den Flur hinaus, während Jimmy
sich über das Waschbecken beugte und sich die Hände wusch. »Und schaff den
Regenmantel ab, Octavio.«
    Der Kerl drehte sich um, hob die Arme und fegte sich
mit einer ruckartigen Kopfbewegung die Haare aus dem Gesicht. »Das ist alles,
was ich hab.«
    »Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich drum.« Jimmy
warf dem Kerl ein bekräftigendes Blinzeln zu und entdeckte dann Rocco. »He, wie
geht's dir?«
    »Ich dachte, das hättest du überwunden«, sagte Rocco
und nickte zu der offenen Kabinentür. »Ich dachte, du hättest dich wieder den
Frauen zugewandt.«
    Jimmy lachte fröhlich. »Was gibt's, Rocco? Lange nicht
gesehen.«
    Rocco zuckte mit den Schultern und lehnte sich gegen
ein Waschbecken. »Kann ich dich zum Lunch einladen?« Er gähnte, während ihn
ein Anflug von Besorgnis überkam.
    »Wir machen auch getrennte Kasse.«
    Der zurückhaltende Unterton in Jimmys Stimme ließ
Roccos Gähnen in einem kleinen Grunzer enden.
    Als sie die Stadtverwaltung verließen und zu der Reihe
von Bars und Restaurants auf der anderen Straßenseite gingen, machten Rocco und
Jimmy auf bedeutungslosen Smalltalk. Rocco bemerkte, dass Jimmy auf der Hut
blieb, was aufgrund der gegensätzlichen Ausrichtung ihrer Jobs auch nicht
sonderlich überraschend war. Aber Rocco war sich ziemlich sicher, dass er diese
instinktive Vorsicht durchbrechen konnte, weil Jimmy im Grunde ein guter Mann
war. Eigentlich hielt Rocco Jimmy Newton für den anständigsten Menschen, den
er kannte.
    Die meisten Pflichtverteidiger in Dempsy arbeiteten
drei bis fünf Jahre für das County und verlegten sich dann auf eine
Privatkanzlei, damit sie endlich Geld verdienten. Aber Jimmy war bald fünfundvierzig
und arbeitete immer noch an der Front, griff sich immer noch jeden Morgen die
braunen Aktendeckel aus der Ablage für Anklagen, befragte durch die Gitter des
Abfertigungskäfigs einen anonymen und endlosen Strom von mittellosen Trotteln,
plädierte drei- bis viermal am Tag auf »nicht schuldig«, feilschte um
Kautionsverminderungen und kürzere Haftzeiten - und all das für fünfundvierzigtausend
im Jahr, Nebenjobs im Rechtsbereich nicht gestattet. Was schaute für ihn dabei
heraus? Rocco wusste es nicht genau: Selbst die Schurken im Knast behandelten
Jimmy wie ein Stück Dreck.
    Aber Rocco war überzeugt, der Grund, warum Jimmy sich
niemals selbständig gemacht hatte, lag darin, dass er Mitleid mit seinen Klienten
hatte. Jimmy war nicht politisch, war kein Aktivist, nicht einmal Demokrat; er
war einfach nur ein netter Kerl, der daran glaubte, dass die

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