Price, Richard
meisten seiner
Klienten glücklose, vom Schicksal geschlagene Kerle waren, die in ihrem Leben
einen Freund brauchten, der Ahnung hatte, Jimmy Newton.
Nichts verdeutlichte Jimmys Ansatz bei seinem Job
besser als das halbe Dutzend Jacketts, das er stets im Kofferraum seines Wagens
bei sich hatte. Polyesterhorrorstücke aus Billigläden in bizarren Farbkombinationen,
alle für seine Klienten bestimmt. Jimmy glaubte, dass es nur zu ihren Gunsten
war, wenn sie anständig gekleidet vor dem Richter erschienen, und es gab keinen
Richter, Gerichtsbeamten, Staatsanwalt oder ältlichen Gerichtssaalhocker in
ganz Dempsy County, der die ein, zwei Klienten von Jimmy Newton nicht aus dem
Meer der Missetäter herauspicken konnte. In Juristenkreisen waren die Jacken
als Mode ä la Newton bekannt.
Rocco legte seine Hand auf Jimmys Rücken und lenkte ihn
ins >Old Town<, das teuerste Restaurant in der Gegend. Eine ältere Dame mit
graublauen Haaren geleitete sie zu einer Sitzecke in dem nahezu leeren Raum,
und ein paar Minuten später sah Rocco zu, wie Jimmy um elf Uhr fünfundvierzig
einen Gibson hinunterstürzte, als hätte er seit Tagen nur trockene Kekse
gegessen.
»Willst du noch einen?«
»Nein.« Jimmy schmatzte und gab ein grollendes Geräusch
von sich. »Ich muss meine Sinne beieinanderhalten. Was gibt's?«
»Okay, okay.« Rocco war wieder nervös und warf einen
Blick über das Meer freier Tische. »Ich hab da was auf der Pfanne, das mir wichtig
ist. Sitz einfach da und hör mir zu, und wenn es dir aus ethischen Gründen
Sorgen bereitet, vergiss einfach, dass ich irgendwas gesagt habe.«
Jimmy starrte ihn mit gesenkten Augenlidern an und
wartete. »Dein Klient. Victor Dunham. Er sitzt wegen Mordes im Kahn, richtig?«
Jimmy wurde sehr still.
»Hör mal, ich habe das Geständnis aufgenommen, und ich weiß, dass es Bockmist ist. Du weißt auch, dass es Mist ist,
richtig? Also, lass uns mal ganz privat über die Sache reden. Wir sind nicht
mal hier.
Ja?«
Nach einem langen Augenblick gab Jimmy ein zögerndes
Grunzen von sich.
»Jimmy, was ich sagen will, ist, der Junge war's nicht.
Jetzt willst du natürlich wissen, warum nicht und wer's sonst gewesen sein
soll. Okay, auf der Straße erzählt man sich, dass das Opfer, dieser Darryl
Adams, aus dem >Ahab's< Drogen verkauft haben soll. Straßenge rüchte,
aber Tatsache ist, wir haben eine Menge Bargeld bei seiner Leiche gefunden, und
es stammte nicht aus dem Laden, soweit wir wissen, also, ich mein, es hätte ein
Überfall sein können, ein versauter Überfall, der Schütze hat die Panik
gekriegt und ist ohne Geld abgehauen. Aber ich zweifle dran. Ich glaube, es war
eine Hinrichtung.«
Jimmy
blies die Wangen auf und strich sich mit der Hand über den Hinterkopf.
»Hörst du
mir zu?« Rocco schlug leicht auf Jimmys Handgelenk, weil er sich Sorgen machte,
dass dessen Interesse bereits erloschen war, obwohl er nicht mal halbwegs durch
die Aufwärmphase war.
»Red
weiter, red weiter«, sagte Jimmy brüsk und sah mit zusammengekniffenem Mund
zur Bar hinüber.
»Okay ...
Also, dieser Bursche, Darryl, arbeitete für Rodney Little, den Drogenheini, in
dessen Lebensmittelladen. Victor hat einen Bruder, einen Jungen namens Strike,
der mit Darryl in ebendiesem Laden gearbeitet hat. Dieser Bursche, Strike, ist
jetzt da draußen auf der Straße und dealt für Rodney. Also, was haben wir so
weit? Dieser Strike verkauft Stoff, dieser Darryl verkauft Stoff, beide haben
sie für Rodney gearbeitet. Also, jetzt kommt's. Bist du bereit?« Rocco versuchte
Jimmys Blick auf sich zu lenken und ihn zu einem Lächeln zu bewegen.
»Red
einfach, Rocco.«
»Okay.
Dieser Strike, Victors Bruder? Nun, der Barkeeper vom >Rudy's< sagt,
Victor und Strike wären am Abend der
Schießerei in seinem Laden gewesen. Sagt, er hätte Strike vorher noch nie
gesehen. Und als ich hingehe und diesem Strike auf die Pelle rücke, lügt der
mir die Hucke voll. Er sagt, er hat Victor seit zwei Monaten nicht gesehen, er
sagt, dass er diesen Darryl Adams nicht gekannt hat, während ich weiß, dass
sie ein ganzes verdammtes Jahr zusammen in Rodney Littles Loch von
Lebensmittelladen gearbeitet haben. Und dann erzählt er mir noch irgendeine
verlogene Geschichte von wegen, Darryl hätte keinen Respekt, und das sei der
Grund, warum sein Bruder ihn erschossen habe, als würde Victor in der Gegend
rumlaufen und Leute abknallen, nur weil sie ihre Smiley-Buttons falsch rum
tragen, verstehst du?«
Rocco lehnte
sich zurück und
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