Price, Richard
hab den Knopf gedrückt, um den
Fahrstuhl anzuhalten, aber dann gingen auf einmal die Tü ren zu,
und sie war drin. Also hab ich gewartet, dass er wieder raufkommt, weil ich
dachte, sie würde drinbleiben, aber er kam leer wieder, also bin ich jetzt
gerade runtergefahren, ich dachte, sie wäre in der Halle, aber das war sie
nicht, und ...« Patty sah hektisch an Rocco vorbei, und sie beobachtete das
Durcheinander auf dem Broadway: den Verkehr, die Leute, das Herz von New York
um zehn Uhr morgens. »Sie ist weg!«
Rocco
versuchte, ruhig zu bleiben, starrte auf den endlosen Strom der Laster und
Taxis, die wie Schiffe und Motorboote den Broadway hinunterschwebten und in die
endlose weite Welt davonsegelten.
»Warte
mal, warte mal.« Rocco drückte ihren Arm, aber sie riss sich los und lief
blindlings über die Straße, rief laut nach Erin, ohne jedoch zu schreien, als
wüsste sie trotz ihres Schocks genau, wie man sich auf offener Straße zu
benehmen hatte.
Rocco
rannte zum Haus, rüttelte an der verschlossenen Eingangstür, und die Schlüssel
waren wie glitschige Fische in seiner Hand. Er schloss auf, stand in der
verlassenen Halle und versuchte nachzudenken. Auf der Marmorablage unter den
Briefkästen lag ein Päckchen des Buchclubs, und automatisch sah er nach, ob es
für ihn oder Patty bestimmt war.
Rocco zog
an der Tür zum Treppenhaus: abgeschlossen. Er warf einen Blick zum Fahrstuhl
hinüber. Ohne einen Schlüssel für den gewünschten Flur würde der Aufzug
nirgendwohin fahren. Das war das Sicherheitssystem des Hauses, billiger als ein
Portier, sagten alle, das ganze Gebäude eine abschließbare Schachtel.
Wo war sie
... Rocco stand in dem blockierten Fahrstuhl, drückte wild auf den
funktionstüchtigen Knöpfen herum, und schließlich schloss sich die Tür, aber
der Aufzug bewegte sich nicht von der Stelle, ein dummer Witz.
Rocco
rannte wieder hinaus, hörte, wie Patty irgendwo auf der Straße nach Erin rief,
hörte die krächzende Panik in ihrer Stimme. Er rannte zurück in die Halle, fing
an, alle Knöpfe auf der Sprechanlage zu drücken, drückte drei, vier Etagen auf einmal, und plötzlich erwachte
die Schachtel zum Leben, es knisterte und rauschte im Lautsprecher, mehrere
Leute sagten gleichzeitig, »Wer ist da?«, dann legten sich weitere Stimmen
darüber und vermischten sich mit den anderen.
»Ist meine Tochter auf Ihrem Flur?«
»Wer ist da?«
»Zehnter Stock.« Aus irgendeinem Grund brachte er
seinen eigenen Namen nicht über die Lippen. »Ist ein Kind auf Ihrem Flur, das
sich verlaufen hat?«
»Wer ist da?«
Einige Leute drückten in ihrer Verwirrung auf den
Türöffner, aber keiner beantwortete seine Frage.
»Läuft auf Ihrer Etage ein Kind herum?«, brüllte Rocco,
und seine Lippen strichen über die Sprechanlage.
Murmelnd trat er wieder in die Halle, spürte, wie er zu
schwitzen begann, und griff, ohne nachzudenken, wieder nach dem Buchclubpäckchen.
Es war an einen Jose Arenas adressiert. Wer, zum Teufel, war Jose Arenas? Er
kannte niemanden im Haus.
Er stieg in den Aufzug und entriegelte den Knopf zur
zehnten Etage. Als sich der Aufzug in Bewegung setzte, konnte er immer noch
Patty auf der Straße hören, ihre Rufe stiegen den Fahrstuhlschacht hinauf,
wurden immer undeutlicher und bruchstückhafter.
Der Fahrstuhl hielt in der achten Etage, und Rocco
stand Auge in Auge mit einer sorgenvoll dreinblickenden Japanerin.
»Sie suchen Ihr Kind?«
Roccos Knie fingen vor Erleichterung an zu zittern.
»Gott sei Dank, Sie wissen nicht -«
»Auf diesem Stock ist es nicht.«
Roccos Elend brach durch seine Benommenheit, und er
verlor regelrecht das Gleichgewicht.
»Vielleicht sollten Sie die Polizei rufen.«
Als er zum
zehnten Stock weiterfuhr, fühlte sich Rocco immer nutzloser, und als sich die
Tür wieder öffnete, blieb er wie angewurzelt in der Fahrstuhlkabine stehen,
geriet in Panik bei dem Gedanken, einen Blick auf den leeren Kinderwagen im
Flur werfen zu müssen, war sich sicher, dass ihm dieses Bild das Herz brechen
würde.
Die Tür
schloss sich wieder, und als der Fahrstuhl nach unten führ, ging er im Geiste
eine Liste der ihm bekannten New Yorker Cops durch, die ihm hier helfen
konnten. Er hörte wieder Pattys Stimme, als der Fahrstuhl sich der Halle
näherte, dieses körperlose, immer und immer wiederkehrende Rufen nach dem Baby.
Rocco fuhr nach unten, um sich ihrem Schmerz zu stellen, und er dachte an die
Flotte der Fahrzeuge, die den Broadway hinabsegelte, weg von Manhattan
Weitere Kostenlose Bücher