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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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seines Selbstgesprächs aufschnappen.
    »... wenn ich jedes Mal, wenn ich unterwegs bin, um
Geld zu verdienen, mir Sorgen machen muss, dass du lügst, mich anlügst, deine
Großmutter anlügst, all die Menschen, die dich auf dieser Welt lieben, also,
wenn du es noch nicht weißt, dann sage ich es dir noch einmal - ohne deine
Familie bist du nichts, dann bist du allein da draußen, und ich will doch nur wissen, was
eigentlich in dir vorgeht ...«
    Tyrone lief weiter in Richtung des Accords, und Strike
dachte: >Bye-bye, ihr Sorgen<, und hoffte, dass ein weiterer zufälliger
Zusammenstoß mit Erroll Barnes diesen Jungen endgültig aus seinem Leben
schrecken würde.
     
    Die Beinahe-Tragödie des Vormittags hatte Rocco derart
aufgewühlt, dass er sich nicht vorstellen konnte, jemals wieder Schlaf zu
finden.
    Durcheinander und schwindlig vor Erschöpfung, ging er
zwei Stunden früher zur Arbeit und fing an, ein paar der Berichte aufzuarbeiten.
Aber nach zehn Minuten an seinem Schreibtisch beschloss er, sich auf die
Zellenpritsche zu legen und zu entspannen. Er fiel auf der Stelle in ein
traumloses Loch.
    Nach einer Stunde wurde er von einem der Beamten der
Tagesschicht geweckt, der laut einen McDonald's-Werbesong schmetterte, während
er sich einen Kaffee eingoss. Rocco setzte sich auf und dachte, er sollte
diesem gedankenlosen Arschloch mal die Meinung sagen, doch dann bemerkte er,
dass der Typ einen Spurensicherungskoffer zwischen seinen Füßen stehen hatte
und gerade im Gehen begriffen war.
    Rocco strich sich die Haare nach hinten. »Wie spät ist
es?«
    »Drei. Rat mal, wer tot ist?«
    »Wer?«
    »Rate.«
    »Los, sag schon.«
    »Erroll Barnes.«
    »Ja? Gut. Wer hat ihn erschossen? Er ist erschossen
worden, oder?« Rocco gähnte; sein Hemd stank.
    »Ein kleiner Junge hat ihn umgelegt, kannst du dir das
vorstellen? Irgendein Neun-, Zehnjähriger aus der Roosevelt-Siedlung. Die Kids
heutzutage, es ist nicht zu fassen.«
    Mazilli kam, um sich einen Tee zu holen.
    »Mazilli, was ist passiert?« Rocco traute dem Typen von
der Tagesschicht nicht über den Weg. »Erroll Barnes ist tot.«
    »Hat ihn wirklich ein Kind umgebracht?«
    »Ja, ein Elf- oder Zwölfjähriger. Sie sollten ihm dafür
einen Orden geben.«
    Rocco setzte sich auf die Zellenpritsche und versuchte,
seine Gedanken zu ordnen.
    »Haben sie ihn erwischt?«
    »Er ist im Jugendknast. Hat sich Andre Gates gestellt.«
    »Leiche am Tatort?«
    »Ja, die Tagesschicht geht gerade raus.«
    »Wer bearbeitet den Jungen?«
    »Steinmetz. Er ist total sauer, weil sein Junge in zwei Stunden in Old Bridge ein Basketballspiel
hat.«
    »Ist er schon los?« Rocco stand auf und stopfte sich
das Hemd in die Hose.
    »Er hängt da drin am Telefon und redet mit seiner
Frau.«
    Rocco ging ins Dienstzimmer, bedeutete ihm, das
Gespräch zu unterbrechen, und der trübselig dreinblickende Polizist drückte
sich den Hörer vor die Brust.
    »Billy«, sagte Rocco blinzelnd, »ich werde dir einen
Riesengefallen tun ...«
    Eine halbe Stunde später betrat Rocco den dämmrigen
alten Jugendknastanbau hinter der Polizeiwache des Westdistrikts und fand dort vier
Jungen vor, zwei im Käfig und zwei mit ihren Müttern auf Holzbänken gegenüber
den Tischen der Polizisten. Rocco nahm an, dass es sich bei dem Kind, das
seitlich mit dem Kopf auf dem Schoß der Mutter lag, um den zwölfjährigen
Schützen handelte. Der Junge zitterte, seine Schultern hoben sich von müden
Schluchzern, und seine Mutter strich ihm wie abwesend über die Schläfen und
weinte selber. Rocco stellte überrascht fest, dass er sie beide kannte: Die
Mutter war die grobschlächtige Frau, die Strike beinahe in den Arsch getreten
hätte, und der Junge war ihr Sohn, der nette Junge, der immer schweigsam auf
der Kette bei den Roosevelt-Bänken gesessen hatte. Rocco seufzte und sah für
einen Moment weg, dachte daran, was für ein mieses Stück Scheiße Erroll Barnes
gewesen war: Selbst im Tod hatte er noch ein weiteres Leben zerstört.
    Ein großer
schwarzer Cop in grober Baumwollhose und Sweatshirt erhob sich von einem der
Schreibtische. »Sind Sie von der Staatsanwaltschaft?«
    Rocco
streckte eine Hand aus. »Ja, Rocco Klein. Sie sind Andre Gates?«
    »Ja.«
Andre ignorierte die ihm dargebotene Hand, machte eine kleine braune Tüte auf
und zeigte Rocco die darin befindliche .25er. »Kann ich einen Moment mit Ihnen
reden?«
    Andre
fasste Rocco am Ellbogen und führte ihn in einen leeren Flur. »Hören Sie, den
Jungen da drin, Tyrone?

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