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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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angerufen.«
    »Mom, was hat er zu dir gesagt?«
    Wieder Stille. Rocco schob die Hände in die Hosentaschen
und wartete.
    »Mom, ich werde ihm helfen«, sagte Strike und sah zu
Rocco hinüber. Rocco nickte bekräftigend. »Er sagte ...« Ihre Stimme erstarb.
    »Was?«
    »Er rief mich aus irgendeiner Bar an und sagte zu mir:
>Ich glaube, ich werde etwas Schlimmes anstellen.< Ich sagte zu ihm:
>Was meinst du damit, du wirst was Schlimmes anstellen?< Er sagte: >Ich weiß
nicht, ich weiß nicht.< Ich sagte: >Victor, was ist passiert?<, er
sagte: >Ich werde etwas tun, ich muss einfach. Ich halt's nicht länger aus.< Ich sagte: iKomm heim<, aber er sagte immerfort: >Ich halt's nicht
mehr aus, ich halt's nicht aus.< Ich sagte: >Wo bist du?<, er wollte
mir nicht sagen, wo er war, er hat nur ...« Sie rang nach Luft und fing an zu
weinen.
    Strikes Knie zitterten wie Presslufthämmer. Peinlich,
Rocco wendete seinen Blick ab.
    »Ich halt's nicht länger aus«, sagte sie wieder.
    »Mom ... Ich werde ihm helfen.«
    »Er ...« Die Stimme der Frau gefror. Sie atmete hörbar
aus und redete dann weiter. »Er kam etwa eine Stunde später heim. Er kam in die
Wohnung gerannt, stürmte ins Bad, musste sich ewig lang übergeben und kroch
danach in mein Bett, wie damals, als ihr noch klein wart. Er hatte Fieber, das
konnte ich an seinem Gesicht sehen. Ich sagte: >Was ist passiert, Victor?
Was hast du getan?< Er sagte: >Ich habe jemanden erschossen<. Er
fühlte sich so heiß und so krank an, er sagte: >Mom, ich war kurz davor, den
Verstand zu verlieren, ich hab's nicht länger ausgehalten.< Er sagte: >Er
oder ich, er oder ich.< >Wen hast du erschossen, was hat er dir
angetan?< Dann musste er sich wieder übergeben, die ganze Nacht musste er
sich übergeben, und das bei seinem Magen. Ich konnte nicht mal mit ihm reden,
hab nicht herausgefunden, was passiert war, er rollte nur im Bett herum, lief
andauernd ins Bad, ich wusste nicht, ob der andere Bursche verletzt war, tot
oder lebendig, und am Morgen sagte er, er könnte nicht aufstehen, er hätte
Krämpfe in den Beinen. Dann sagte er: >Mom, es war wie im Traum, ich hab nur
abgedrückt, und dann ist er umgefallen<. Er sagte: >Mom, sag mir, was ich
tun soll.< Ich sagte: >Hast du ihn umgebracht?< Er sagte: >Ich
glaube schon. Was soll ich tun?< Dann bat er mich, ihn für eine Weile allein
zu lassen und die Tür zuzumachen. Ich bin ins Wohnzimmer gegangen, aber dann
hab ich gedacht: >Einen Moment mal<, und bin wieder ins Schlafzimmer,
Ronald und da saß dein Bruder mit einer Pistole vor der Brust auf meinem Bett.
Er fragte mich wieder: >Was soll ich tun< ... Und weißt du, was ich
gesagt habe? Ich hab gesagt: >Du kommst zu spät zur Arbeit<. Ich wusste
nicht, was ich sonst sagen sollte. Kannst du dir das vorstellen? >Du kommst
zu spät zur Arbeit<.«
    »Ich werde ihm helfen«, sagte Strike. Seine Augen
glühten, seine Wagen waren feucht.
    »Ronald, dein Bruder saß hier, mit einer Pistole vor
der Brust. Wenn ich nicht wieder hineingegangen wäre ...«
    Strike wandte sich plötzlich zu Rocco und schreckte
zusammen, als habe er vergessen, dass Rocco anwesend war. Ein leises Raunen
entfuhr seiner Kehle, und er begann wie wild auf die Telefonknöpfe zu hämmern,
bis der Lautsprecher abgeschaltet war.
    Rocco kehrte der Unterhaltung den Rücken zu und begann,
auf und ab zu gehen. Er dachte an Victor, wie er im Countygefängnis zu ihm und Jimmy
Newton gesagt hatte: >Es war Notwehr. Damit kann ich leben.< Kein Wunder,
dass sich die Mutter über den Anruf ausgeschwiegen hatte. Sie hatte
Angst gehabt, das Falsche zu sagen, weil sie wusste, dass sie ihren Sohn damit
endgültig ans Messer liefern konnte. Victor hatte sie weniger als eine Stunde
vor dem Mord angerufen, hatte ihr mehr oder weniger erzählt, was er vorhatte,
hatte dann aufgehängt, war hinausgegangen und hatte es getan. Ganz klar
vorsätzlicher Mord. Dreißig Jahre.
    Hinter
sich hörte er, wie Strike auflegte.
    >Damit
kann ich leben.< Der Staatsanwalt hatte >Schweren Totschlag< angeboten
und war vielleicht sogar bereit, dabei auf >Fahrlässig< herunterzugehen.
Doch angesichts dessen, was er gerade gehört hatte, nahm Rocco an, dass Victor
kein Interesse an einem solchen Deal hatte. Für ihn war die Tat Notwehr gewesen.
    Ich halt's
nicht länger aus. Er oder Ich. Notwehr bedeutete für verschiedene
Leute Verschiedenes, und in diesem Fall, entschied Rocco, würde er die
Definition des Jungen akzeptieren. Und wenn Victor damit bis vors Gericht

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