Price, Richard
Anstandswauwau, Rocco leicht
hinterher, mit einem Blick auf The Ducks Markenzeichen, das Gewatschel. Sie
kamen an Gruppen von Leuten vorbei, die apathisch am Geländer hingen und in
der Ferne vorbeifahrende Autos beobachteten. Auf Rocco machte jeder hier einen
rettungslos geschädigten Eindruck: Sie waren zu dünn, zu nervös, zu ziellos.
Rocco kam es so vor, als sei das Royal weniger ein Motel als vielmehr ein
Lazarettschiff, eine Quarantänestation der Seele, und die Highways, die das
Motel von der New Yorker Skyline trennten, hätten genauso gut Flüsse und der
Hudson River selbst ein unpassierbarer Ozean sein können.
Ein dürrer
dominikanischer Junge mit krummem Rücken und einem kratzigen Ziegenbart kam auf
sie zu. Als Duck Brust an Brust mit dem Jungen war, hakte er einen Finger
seiner Crackballhand in dessen Hemd ein, sprach ihn mit »Reynard, Reynard« an,
ließ ihn rückwärts stolpern und nahm ihn mit in Tinas Zimmer, Nummer 47, und zu
viert stießen sie auf eine große blonde Hure, die mit übereinandergeschlagenen
Beinen, gekreuzten Armen und vor Aufregung verquollenen Augen dasaß.
Duck
stampfte mit dem Fuß auf, als er die Blondine sah.
»Himmelherrgott!
Du schon wieder! Was zum Teufel ist mit dir los?« Er schubste Tina beiseite,
drückte Reynard flach gegen die Wand und beugte sich über die blonde Hure.
»Nichts«,
sagte sie mit rauer Stimme. Zuerst hielt Rocco sie für einen Transvestiten,
entschied dann aber, dass sie einfach grobknochig war. Ihr Gesicht schien zwei
völlig verschiedenen Frauen zu gehören, so als sei eine durchsichtige
Hexenmaske über die Formen einer nordischen Schönheit gezogen worden.
»Was, du
hast ihr zwanzig Dollar für eine Ampulle gegeben und hast geglaubt, sie kommt
mit was Gutem zurück?«
»Nein ... ich
bin nur zu Besuch.« Ihre Augen waren leer.
Wütend hob
Duck die Hände. »Was, glaubst du, wird sie wohl tun? Sie wird eine Rasierklinge
nehmen und ein Stück Seife, wird ein paar Seifenflocken abkratzen, sie in Folie
wickeln und dein Geld nehmen. Du gehst irgendwo anders hin und pustest
Seifenblasen. Was zum Teufel ist los mit dir?« Er streckte ihr die zwanzig
Dollar entgegen.
»Ich bin
nur zu Besuch«, sagte sie ausdruckslos, als sie das Geld nahm.
»Du bist
nicht klug genug für die Straße, Schwester, wenn du so weitermachst, wirst du
noch umgebracht. Willst du denn niemals wieder Geige spielen?«
Rocco
lachte lauthals. Nie im Leben hätte er von Duck einen so schrägen Satz
erwartet.
»Roc, ohne
Scheiß, vor sechs Monaten hat sie Geige im Orchestergraben gespielt.« Er
wandte sich an die Hure. »Wie hieß gleich die Show? >Nicolas Nickleby«
»>Phantom
der Oper<.« Sie folgte der Silberfolie mit den Augen, als könne sie riechen,
was darin war.
»Ist es zu
glauben? Sie gerät an einen Abschaum von Freund, kommt auf den
Pfeifengeschmack? Jetzt spielt sie nachts Vorhautflöte auf dem Parkplatz vor
dem Toys-R-Us. Ist das eine verdammte Verschwendung oder was?«
»>Phantom<,
hmm? Ich hab versucht, Karten dafür zu kriegen. Es ist verdammt nochmal
unmöglich.« Rocco wandte sich an die Hure. »Haben Sie noch ein paar Kontakte,
oder sind Sie völlig weg vom Fenster?«
Sie sah
ihn aus den Augenwinkeln an und wusste nicht, ob er Witze machte, und Rocco
fühlte sich unwohl, einen solchen Klugscheißer abgegeben zu haben.
»Du musst
einfach an diese Ampullen kommen, hmm? Musst einfach an diese Ampullen ran.«
Duck schüttelte angewidert den Kopf und zeigte mit dem Finger auf sie wie mit
einem Gewehr. »Wenn du dein Leben wegwerfen willst, dann tu's nicht vor meiner
Nase. Ich will dich hier nie wieder sehen.«
Die Hure
nickte, nahm ihre Tasche und stand auf. Sie war die größte Person im Raum.
»Scheiße!«,
explodierte die kleine schwarze Hure, alle schreckten auf, und Rocco vermutete,
dass sie vielleicht irgendwas über den Boden hatte krabbeln sehen. Aber dann
schoss sie durch das Zimmer und rammte Duck voller Wut in den Bauch.
»Verdammtes Arschloch, Duck, du bist ein gottverdammter Rassist, weißt du das?
Jedes Mal, wenn du irgendeine weiße Schlampe erwischst oder irgendeinen weißen
Jungen, dann tust du, als ob das deine verdammten Verwandten wären. Jedes Mal
erzählst du ihnen, dass sie ihr Leben vergeuden und so'n Scheiß, aber wenn du
einen Nigger greifst, dann ist das wie, wie,... ach, Scheiße, noch mehr Müll,
als wenn jemand den Müll stehengelassen hätte. Du scheißt uns bloß an,
beschimpfst uns, schlägst uns, beleidigst uns, nimmst
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