Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
Aufmerksamkeit den vier Wachtposten zuzuwenden. Der Klastanienverkäufer schwor sowohl vor wie nach Empfang des Sovereigns Stein und Bein, daß er das Tor ständig im Auge behalten und keinen Besucher eintreten gesehen habe. Der Schutzmann äußerte sich sogar noch nachdrücklicher. Er besitze Erfahrung genug in jeder Art Gesindel, sei es in Zylinderhut oder in Lumpen, so grün sei er nicht, zu erwarten, verdächtige Personen würden in verdächtigem Äußeren auftreten, er hätte es sich sehr angelegen sein lassen, jemand aufzuspüren, aber so wahr ihm Gott helfe, niemand habe sich gezeigt. Und als alle drei um den goldbetreßten Torwart standen, der noch immer lächelnd und mit gespreizten Beinen unterm Tore stand, lautete das Urteil noch bestimmter.
    »Ich habe das Recht, einen jeden zu fragen, Prinz oder Bettler, was er in diesem Hause sucht,« sagte der gutgelaunte goldbetreßte Riese, »und ich kann schwören, kein Mensch war hier, den ich zu befragen gehabt hätte, seit dieser Herr wegging.«
    Der nebensächliche Father Brown, der im Hintergrund geblieben war und bescheiden zu Boden blickte, wagte hier die ergebene Frage einzuwerfen: »Ist also niemand die Treppe hinauf oder hernieder gegangen, seit es zu schneien begann? Es fing an, während wir alle drüben bei Flambeau saßen.«
    »Niemand ist hier gewesen, Sir, verlassen Sie sich auf mich,« versicherte der Diener im vollen Bewußtsein seiner Wichtigkeit.
    »Dann möchte ich nur wissen, was das ist?« bemerkte der Priester und starrte ausdruckslos wie ein Fisch auf den Boden.
    Auch die anderen blickten nun alle dorthin und Flambeau entschlüpfte ein Kraftausdruck, von einer französischen Geste begleitet. Denn es stand vollkommen außer Frage, daß längs der Mitte des von dem goldbetreßten Manne behüteten Einganges, und zwar genau zwischen den anmaßend gespreizten Beinen des Kolosses eine graue in den weißen Schnee getretene Fußspur unverkennbar hinlief.
    »Himmel!« rief Angus unwillkürlich aus, »der Unsichtbare!«
    Ohne noch ein Wort zu verlieren, wandte er sich und rannte, von Flambeau gefolgt, die Treppe hinauf; Father Brown jedoch stand noch auf der schneebedeckten Straße und blickte um sich, als ginge ihn die ganze Geschichte nichts mehr an.
    Flambeau war sichtlich in einer Stimmung, daß er am liebsten mit seinen gewaltigen Schultern die Türe ausgehoben hätte. Aber der Schotte, vernünftiger, wenn auch weniger ahnungsvoll, tastete am Türrahmen umher, bis er den unsichtbaren Knopf gefunden hatte und die Türe sich langsam öffnete.
    Sie zeigte im wesentlichen dasselbe abgeschlossene Innere; in der Vorhalle war es jetzt dunkler, obwohl hie und da noch einige rote Streifen sinkender Sonne lagerten und ein paar der kopflosen Maschinen zu irgendeinem Zwecke auf ihrem Platze fehlten und in dem dämmerigen Raume umherstanden. Das Grün und Rot ihrer Kleidung erschien im Halbdunkel verdüstert, und eben durch ihre Unförmigkeit gewannen sie die Gestalt menschlicher Formen. Doch in der Mitte von all dem, gerade dort, wo das Papier mit roter Tinte gelegen hatte, dort lag etwas, das sehr an rote Tinte erinnerte, aus irgendeiner Flasche verschüttet. Aber es war nicht rote Tinte.
    Mit einer echt französischen Mischung von Verstand und Heftigkeit stieß Flambeau kurz hervor: »Mord!«, drang in die Wohnung ein und hatte in fünf Minuten jeden Winkel und jeden Schrank durchsucht. Wenn er aber den Leichnam zu finden erwartet hatte, sah er sich getäuscht. Isidor Smythe war einfach nicht da, weder tot noch lebendig. Nach hastigem Suchen trafen sich die beiden Männer wieder im Vorraume mit schweißtriefender Stirne und starrenden Augen. »Mein Freund,« sagte Flambeau in seiner Aufregung französisch, »Ihr Mörder ist nicht nur unsichtbar, sondern er hat auch den Ermordeten unsichtbar gemacht.« Angus blickte in dem düsteren Raum voll stummer Puppen umher, und in irgend einem noch keltischen Winkel seiner Schottenseele regte sich ein Schaudern. Eine der lebensgroßen Figuren stand genau den Blutflecken überschattend, von dem Ermordeten vielleicht gerade noch herangerufen, ehe er niederstürzte. Der eine der hochschulterigen Hacken, die dem Dinge als Arme dienten, war etwas erhoben, und Angus drängte sich plötzlich der furchtbare Gedanke auf, daß den armen Smythe sein eigenes Eisenkind erschlagen habe. Der Urstoff hatte sich aufgelehnt, und diese Maschinen ihren Schöpfer getötet. Aber wenn auch, was hatten sie mit ihm gemacht?
    »Aufgefressen?«

Weitere Kostenlose Bücher