PRIM: Netzpiraten (German Edition)
um hier bereits erfasst zu sein. Die Suchergebnisse wurden vom Programm automatisch sortiert. Allzu viel Neues oder Interessantes erfuhr er hier nicht. Oberschule, College, Sigma Kappa, Universität, Segelabteilung des Universitätssportvereins, alles am MIT in Cambridge, Boston. Über die Schulzeiten konnte er ihr Alter eingrenzen: dreißig oder einunddreißig Jahre. Sie hatte ein paar wissenschaftliche Arbeiten über Themen aus der Informationstechnologie verfasst. Sie besaß eine 42-Fuß-Segelyacht, offenbar in Newport, und hatte vor zwei Jahren als Skipperin mit der MILKY WAY in ihrer Klasse die Bermuda-Hochseeregatta gewonnen und mit ihrer Mannschaft vier Pokale abgeräumt. Großes Foto mit großer Sonnenbrille. Danach war ihre natürliche Haarfarbe brünett. Die wenigen anderen Fotos waren sehr klein, wie im Internet üblich. Auf zwei der Jahresfotos auf der Internetseite von Sigma Kappa konnte er sie identifizieren. Auch hier brünett. Ihr Vater, Alexander Kenneth Norwood, hatte über zweihundert Referenzeinträge. Er fand ihn auch prompt in der Katakombe. Sehr reich, sehr einflussreich, großes Haus nahe Newport, Rhode Island. Geschieden. Hinweise auf die einzige Tochter, aber nur zwei auch mit dem Namen Ann-Louise. Er hatte überlegt, den Alten mit Krypta weiter zu durchleuchten, aber dann davon Abstand genommen. Schließlich hatte Vater Norwood ja offensichtlich nichts mit der Ann-Louise zu tun, die er suchte.
Er fand weder eine Anschrift von Ann-Louise noch eine gültige Mailadresse. Auch keine Mobilfonnummer. In der Vertraulichkeitserklärung, die sie mit großer, flüssiger, aber dennoch fast unleserlicher Schrift unterschrieben hatte, hatte sie die Adresse einer Tante in der Bronx angegeben, wo sie untergekommen war, dazu deren Telefonnummer. Besonders attraktive Mädchen und Frauen verfügten nach seiner Einschätzung entweder über eine außergewöhnlich hohe oder eine absichtlich extrem eingeschränkte Präsenz im Internet. Ann-Louise Norwood gehörte zu letzteren. Später, nach dem abrupten Ende ihrer kurzen Beziehung, hatte er herausgefunden, dass sie auch in keinem der geschwätzigen Blogs, in keinem der Social Networks und in keiner Tauschbörse registriert war, und dass sie bei den wenigen Internetkaufhäusern, in deren Kundendateien er mit Hilfe einiger spezieller Hackertricks ihren Namen fand, ein Konto bei der Bank of America und als Adresse das Haus ihres Vaters in Newport angegeben hatte. Zu dem Zeitpunkt glaubte er, dass die Adresse der Tante in der Bronx reine Erfindung war. Aber, wie er herausgefunden hatte, gab es sie tatsächlich, die Mrs. Ohanian. Nur hatte sie keine Nichte, die Ann-Louise hieß.
Er hatte seine ursprünglich ablehnende Haltung gegen ihre Anwesenheit schnell aufgegeben. Sie hatte immer gute Gründe, zu ihm in den Glaskasten zu kommen. Manchmal hatte er den Eindruck, dass sie wartete, bis Ron das Büro verließ oder zumindest nicht an seinem Platz saß. So konnte sie die Aufforderung umgehen, bei Fragen oder Problemen erst Ron anzusprechen. Anfangs hatte er sie um telefonische Anmeldung gebeten, dann schnell darauf verzichtet. Meistens sah er sie kommen und machte ihr die Tür auf. In den anderen Fällen klopfte sie gegen die Scheibe. Sie setzten sich dann an den kleinen Besuchertisch, und wenn zur Beantwortung ihrer Fragen der Computer benötigt wurde, gingen sie an ihren Arbeitsplatz.
Bei diesen Unterhaltungen erfuhr er bald, wie weit sie in die Materie der Netzwerke und IT-Sicherheit eingedrungen war. Sie machte keinen Hehl aus ihren illegalen Aktivitäten in ihrer Jugend, wie sie sagte. Er ließ nicht erkennen, wie genau er die Methoden kannte, die sie beschrieb. Obwohl er ihr erklärt hatte, dass sie sich bei TODAY an die ethischen Grundsätze der Firma zu halten hätte, ließ er sich zeigen, wie sie verschiedene Sicherheitssperren umging und an die Kundendaten vom Kaufhaus Macy’s gelangte.
’Bei uns wären Sie nicht so weit gekommen, Ann-Louise’, hatte er gesagt.
’Vielleicht’, hatte sie erwidert und ihn sekundenlang angeblickt. ’Aber ich habe schon gesehen, wie die Sperren bei TODAY verbessert werden könnten.’
Hin und wieder kam sie auf intensivere Recherchen zu sprechen. Ob TODAY sich da etwas von ihr zeigen lassen wollte. Er hatte immer vorsichtig abgelehnt, nicht direkt, weil das aufgefallen wäre, sondern durch Ablenkung. Wirklich exklusive Informationen erhielten sie von Informanten, hatte er ihr erklärt.
Er hätte sie gern allein zum
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