PRIM: Netzpiraten (German Edition)
drei Wochen lang hatte sie herauszufinden versucht, aus welchen Quellen DATA TODAY sich Informationen beschaffte, an die eine kommerzielle Personenauskunft eigentlich nicht herankommen durfte. Sie verglich den blinkenden Namen am rechten Bildschirm mit den Eintragungen in einer Tabelle auf dem linken Bildschirm, dann griff sie zum hausinternen Telefon und wählte eine fünfstellige Nummer.
„Ben Nizer, Datensicherheit.“
„Bingo!“
Ben Nizer brauchte ihren Namen nicht von der Anzeige abzulesen. Er erkannte die Stimme von Alice Lormant sofort, selbst wenn sie nur bingo sagte.
„Na endlich! Wer ist es?“
„John Kenneth Silverman.“
Nizer brauchte einen Moment, um dem Namen den Ort zuzuordnen, an dem er ihn eingetragen hatte. Dann stöhnte er: „Oh nein. Und nur bei DATA TODAY?“
„Bis jetzt ja. Sie müssen es aus der ursprünglichen Quelle haben, also von uns. Welche ist es?“
„NSA P-B12. Unser externes Personal. Ich komme hinauf zu Ihnen.“
Sie führte noch zwei weitere, kurze Telefongespräche. Dann lehnte sie sich in ihrem Drehstuhl zurück, legte den Kopf an die Stütze und schloss die Augen. Es sah tatsächlich so aus, als ob DATA TODAY sich die geheimen Daten direkt von der Quelle holte. Die P-Datenbanken enthielten Angaben über NSA-Mitarbeiter und galten als sehr gut geschützt, auch wenn sie unverschlüsselt auf den Servern lagen. Auch sie selbst hatte keinen Zugriff auf alle Personaldaten. Weder die CIA noch das FBI wussten offenbar, dass Silverman eine gewisse Zeit lang als externer Mitarbeiter bei der NSA beschäftigt war, jedenfalls gemäß deren Auskünften auf eine unverdächtige Anfrage der NSA.
Sie hatte zu Beginn des Projektes Blinder Passagier zweiundzwanzig eher unauffällige Personen ausgesucht, die auf irgendeine Weise in anderen Datenbanken erfasst waren, und ihnen Verbindungen zur NSA angedichtet. Dabei musste sie sorgfältig darauf achten, dass diese NSA-Verbindungen zeitlich und sachlich zu den jeweiligen anderen Daten der betreffenden Personen passten. Ben Nizer hatte die zweiundzwanzig Personen dann in verschiedene Datenbanken der NSA eingeschleust. Nur er allein wusste, wer wo zu finden war. Er hatte sich sogar die Mühe gemacht, die Zeitstempel der Dateneingaben so zu manipulieren, dass sie mit den Zeitpunkten der jeweiligen Informationen kompatibel waren. So hatte sich der Spanier Sergio Llorente, Verkaufsagent einer spanischen Winzerei mit erstklassigen Weinen und ständig unterwegs in den höchsten Kreisen in diversen Ländern, während einer Reise in die USA im Oktober 2009 von der NSA anwerben lassen.
Ben Nizer hätte sich die Details der DATA TODAY Auskunft über Silverman in seine Datenschutzzentrale herunterschicken lassen können. Aber er hatte am Beginn der Operation Stowaway Sicherheitsbedenken geltend gemacht und jede nicht unbedingt notwendige Übermittlung über die Datenleitungen untersagt. Diese Vorsicht war ihr sofort übertrieben erschienen, und sie vermutete einmal mehr die Absicht dahinter, leichter persönlichen Kontakt zu ihr zu halten. Sie schätzte Ben Nizers Alter auf nahezu sechzig Jahre, aber in dieser Hinsicht schienen alle Männer gleich zu sein, ganz unabhängig vom Alter.
Es dauerte länger als sie erwartet hatte. Sie holte sich die Unterlagen über DATA TODAY auf den Bildschirm. Aber dann klopfte er an ihre Tür wie jemand, der es gewohnt war, dass ihm schnell geöffnet wurde. Sie schaltete auf eine neutrale Bildschirmanzeige um, schaute auf das Türkamerabild neben der Tür, stand ohne Eile auf und öffnete Ben Nizer die Tür.
„Ich wusste gar nicht, dass Sie S-4 Sicherheitsstatus haben, Alice“, begrüßte er sie. Sie bemerkte, dass seine Blicke ihren Körper abtasteten und ein wenig zu lange an ihren Beinen hängen blieben. Er trug einen grauen Anzug und eine blau-rot gestreifte Krawatte, was ihm bei seiner sportlichen Figur und der leicht gebräunten Haut nicht schlecht stand. Aber er war sicherlich der einzige in der ganzen IT-Sicherheitsmannschaft, der mit einem Schlips herumlief. Sie bat ihn, sich zu setzen, und ging dann zurück zu ihrem Platz hinter dem Schreibtisch.
„Und ich wusste nicht, dass Ihr Büro so weit von hier entfernt ist. Ist es nicht im Bunker?“
„Doch, schon. Aber ich musste erst noch Ernie Grey informieren.“ Er sagte es betont beiläufig, als ob er jeden Tag mit dem NSA-Direktor zusammentraf und ihn mit dem unter Freunden üblichen Rufnamen ansprach.
Sie lächelte und sagte nichts. Grey war
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