Prime Time
verfolgt, aber jetzt werden wir sie auf eine entschieden klarere und kraftvollere Weise umsetzen.«
Die Stille um den Tisch war von Erwartung und Zweifel geprägt, und Thomas brach unter den Achseln der Schweiß aus.
»Broschüren«, sagte er und sprach lauter, so dass seine Stimme heiser wurde. »Eine Reihe informativer Schriften, fest gebunden, das Fazit für alle, die mit der Regionenfrage arbeiten, Geschichte, Forschung, Bewertung, Analysen.
Große offene Seminare und Debatten, Vortragsreihen, Unterstützung für lokal verankerte Entwicklungsmodelle. Der Gemeindetag übernimmt die Führung, legt die Tagesordnung fest, und alle anderen werden folgen.«
»Wären Sie denn bereit, einen solchen Auftrag zu übernehmen?«, fragte der Betriebsratsvorsitzende.
Thomas räusperte sich leise, ehe er antwortete. »Das ist die interessanteste Aufgabe, die ich mir vorstellen kann.« Der Ressortchef für Entwicklung beugte sich mit gierigem Blick vor. Bei diesem Szenario würde seine Abteilung einen bedeutend größeren Zuschuss an Geldern bekommen, ganz abgesehen von dem damit verbundenen Einfluss und Prestige.
»Ein interessanter Vorschlag«, begann er, wurde aber rasch vom Betriebsratsvorsitzenden unterbrochen, der sich wieder Thomas zuwandte.
»Wie sieht denn momentan Ihre private Situation aus? Sie haben Familie und wohnen hier in der Stadt?«
»Meine Frau«, sagte Thomas und versuchte zu lächeln, »zwei Kinder in einer städtischen Tagesstätte, eine kommunale Mietwohnung auf Kungsholmen. Ich selbst stamme aus Vaxholm, wo ich sieben Jahre lang in der Gemeindeverwaltung tätig war, die sich ja sehr für Privatisierung und Umstrukturierung stark gemacht hat.«
Er verstummte, er konnte einfach nicht weitermachen, denn plötzlich hatte er das Gefühl, eine Hure in einem Schaufenster in Thailand zu sein. Er gab mit einer Wohnung an, die er verabscheute, mit der Tagesstätte, der gegenüber er so skeptisch war, und würzte das Ganze mit dem Ort, den er verlassen und im Stich gelassen hatte.
Er sah auf den Tisch hinunter.
»Ihr Vorschlag ist interessant«, sagte der Betriebsratsvorsitzende. »Wir werden ihn diskutieren und Ihnen so bald wie möglich Rückmeldung geben, vielleicht schon heute.«
Die Audienz im Zimmer des Chefs war vorbei. Er stand steif auf, und der Stuhl fiel hinter ihm fast um. Die Sekretärin bekam ihn noch gerade rechtzeitig zu fassen und nahm mit der anderen Hand den Kaffee weg, den er nicht angerührt hatte.
Thomas drehte sich um und ging zur Tür. Seine Knie zitterten, drei Wort kreisten in seinem Kopf.
Das Jüngste Gericht.
Gunnar Antonsson zurrte den Riemen um den Stuhl, zog noch einmal fest an und spannte nach, so dass er nicht umfallen konnte. Dann streckte er sich, massierte seinen Rücken und ließ den Blick derweil den rituellen Check durchführen. Zinkkästen gepackt und gesichert, Regiepult auf Standby, Möbel festgezurrt. Der Outside-Broadcast-Bus Nummer fünf war so gut wie ready for take off. Der Strom musste noch abgeschaltet und die Hydraulik eingefahren werden, dann würde er Richtung Dänemark rollen.
Er rückte seinen Hemdkragen zurecht und strich sich übers Haar. Mit einem Mal war ihm leicht ums Herz. Draußen war es windig, die frischen Winde würden auf dem ganzen Weg durch Schweden die Landschaft um ihn zum Tanzen bringen.
Obwohl es noch nicht einmal Sommer war, war die Luft fast so kühl wie im Herbst, und der Herbst war seine beste Jahreszeit.
Als er zum Ausgang ging, tauchte ein Gesicht in der Türöffnung auf. Große und schöne Augen, er lächelte instinktiv. Es war das Mädchen vom
Abendblatt,
das sich für die Technik im Bus interessiert hatte. Annika Bengtzon.
»Auf dem Weg zum Kontinent?«, fragte sie.
Gunnar Antonsson glättete seine Hose.
»Jetzt geht es los«, antwortete er.
»Schön, wenn man einfach so abhauen kann«, sagte sie.
Er sah sie forschend an. Sie war eifrig und ein wenig atemlos. Irgendetwas an ihr kam ihm bekannt vor, sie strahlte etwas aus, das er kannte, aber er konnte es nicht näher beschreiben.
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Sie zögerte und bekam rote Wangen.
»Eigentlich hat mich Anne Snapphane hergeschickt, sie sitzt oben und setzt Timecodes und schafft es nicht, selbst zu kommen.«
»Grüßen Sie sie bitte ganz herzlich«, meinte Gunnar.
»Ich habe hier ein Band«, sagte Annika Bengtzon und sah ihm in die Augen, »so eins, das in ein gewöhnliches Videogerät passt und auf dem eine Menge technisches Gerede
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