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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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dann auf Langlauf gestellt und laufen lassen.«
    »Um 19 Uhr 12 also«, sagte sie. »Aber Sie haben es nicht wieder abgeschaltet, oder?«
    Er schluckte hörbar und suchte in seinem Gedächtnis.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte er. »Nach acht Stunden hört es von selbst auf.«
    Annika Bengtzon rechnete mit weit aufgerissenen Augen.
    »Die letzten Minuten auf dem Band wären somit kurz nach drei Uhr nachts abgelaufen! Wie konnten denn die Stimmen auf das Band kommen?«
    Sie starrte ihn nachdenklich und interessiert an.
    Die Erkenntnis war eine große Erleichterung für ihn. Er hatte nichts falsch gemacht. Sie war einfach nur an der technischen Lösung ihres Problems interessiert. Er drehte sich um, ging in den Regieraum zurück und zu dem Pult mit den Knöpfen und Reglern, den Kontakten, Lämpchen, Mikrofonen und Monitoren. Sein Blick fuhr über die Wand, er krauste die Stirn, spürte die Feuchtigkeit im Nacken.
    »Das ist unmöglich«, sagte er. »Das kann nicht sein. Es war doch alles abgeräumt, jedes Teil war eingepackt. Es gab nichts, was von irgendwoher noch einen Laut hätte aufnehmen können. Der Strom war abgestellt, alle Batterien waren auf Laden gestellt.«
    »Aber der Strom vom Bus muss eingeschaltet gewesen sein«, meinte Annika, »denn das Band lief ja.«
    Er sah sie von der Seite an, dumm war sie nicht. Er strich sich über den Mund und das gut rasierte Kinn. Dann blieb sein Blick an einer kleinen roten Lampe mitten in der großen Wand hängen. Er trat so rasch vor, dass seine Hüfte an den Tisch stieß, und streckte den Arm aus.
    »Sehen Sie?«, fragte er.
    »Was?«, erwiderte Annika, und er sah, wie sie auf die Reihen von roten, grünen und ausgeschalteten kleinen Lämpchen starrte.
    »Der Viererkontakt ist eingeschaltet!«
    Er drehte sich langsam um, sie stand ganz nah bei ihm.
    »Natürlich. Der Viererkontakt war eingeschaltet, und die Mikrogeräusche gingen auf die allgemeinen Lautsprecher.
    Das passiert andauernd. Manchmal hört man da richtig peinliche Sachen, sage ich Ihnen.«
    Sie sah verwirrt aus.
    »Sehen Sie all die Mikrofone auf dem Regiepult? Die Leute im Regieraum benutzen die, wenn sie mit den Leuten unten auf der Bühne reden müssen. Um sprechen zu können, müssen sie diesen Knopf hier runterdrücken.«
    Er beugte sich wieder vor und zeigte auf einen schwarzen, ungefähr einen Zentimeter großen Knopf vor einem der Mikrofone. »Und dann geht das, was man sagt, in das Pult, also über die allgemeinen Kopfhörer, und alle können den Dialog hören. Wenn man fertig gesprochen hat, lässt man den Knopf los, und der Kontakt ist wieder unterbrochen.«
    Er richtete sich auf, ohne sich um den schmerzenden Rücken zu scheren.
    »Aber das Mikrofon des Sendeleiters ist immer eingeschaltet«, sagte er. »Der spricht die ganze Zeit, und alle müssen hören können, was er sagt. Nach der Aufnahme sollte man es eigentlich ausschalten, aber das wird nur ganz selten gemacht, und dann sind in allen Kopfhörern die übelsten Kommentare zu hören.«
    »Kommentare inwiefern?«
    Er stellte sich etwas breitbeinig hin.
    »Die Sendeleiter verlieren nach der Aufzeichnung gern mal die Fassung und lästern über bescheuerte Gäste, unfähige Kameraleute, blöde Moderatoren und alles Mögliche. Das kann richtig peinlich werden. Stefan kann sehr gemein sein.
    Er sagt dann die schlimmsten Dinge über alle Beteiligten.«
    »Was ist also auf dem Band?«
    »Das Einzige, was zu der Zeit noch drauf sein kann, ist die interne Kommunikation vom Platz des Sendeleiters im Regieraum.«
    »Also etwas, das sich an Mittsommer hier drinnen um kurz nach drei Uhr früh abgespielt hat?«
    Er nickte schweigend.
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Annika, machte auf dem Absatz kehrt und eilte aus dem Bus.
    Er sah ihr lange nach und horchte auf die Stille, die sie hinterlassen hatte. Was war das nur für ein Gefühl, das sie in ihm wachgerufen hatte?
    Als er darauf kam, lief ihm ein Schauer den Rücken hinunter.
    Sie erinnerte ihn an Michelle Carlsson.
    Die vormittägliche Ruhe vor dem Sturm war nicht wie sonst.
    Es wurde intensiver geflüstert, Köpfe wurden dichter zusammengesteckt, fragende Blicke ausgetauscht. Alle wussten, dass etwas im Gange war, aber nicht, was. Alle wussten, dass Torstensson am frühen Morgen vom Fernsehen interviewt worden war, aber keiner wusste, warum. Jeder beim
Abendblatt
hatte flüstern hören, dass der Chefredakteur sich in seinem Zimmer eingeschlossen hatte und sich weigerte, ans Telefon zu gehen.

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