Prime Time
Und jeder konnte sehen, dass der Redaktionsleiter in seinem Glaskasten saß und scheinbar unbekümmert Zeitungen las. Und alle hatten gehört, dass der Vorstandsvorsitzende Herman Wennergren auf dem Weg in die Redaktion war.
Anders Schyman saß still und kraftlos in seinem Sessel. Er lehnte sich schwer gegen die Rückenlehne. Vor sich hatte er eine Zeitung, damit es so aussah, als würde er lesen. Sein Magen war in Aufruhr, an diesem Vormittag hatte er bereits zehnmal die Toilette aufsuchen müssen.
Er schielte zum fünften Mal in dieser Viertelstunde auf die Uhr. Jetzt konnte er nichts mehr tun. Irgendeinen Effekt musste seine Milzbrandattacke haben, er konnte nur hoffen, dass die Sache den richtigen Weg nehmen würde.
Plötzlich klingelte das Telefon, ein lautes und forderndes Klingeln, das ihn fast aus dem Stuhl warf.
»Er ist jetzt hier«, sagte Tore Brand und legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten.
Der Redaktionsleiter legte den Hörer langsam auf die Gabel, sah in die Redaktion und wartete auf den Vorstandsvorsitzenden.
Stattdessen kam Carl Wennergren, der Sohn, auf ihn zu. Er war schneller und geschmeidiger als sein Vater. Schyman beugte den Kopf über die Zeitung und atmete mit halb offenem Mund.
Das Klopfen war wütend und fest. Er winkte den Reporter mit einer zerstreuten Geste herein.
»Was haben Sie mit Torstensson gemacht?«, fragte Carl Wennergren mit zusammengekniffenen und eisig blauen Augen.
»Fragen Sie lieber Torstensson, was er gemacht hat«, sagte Schyman ruhig und blätterte um. »Was wollen Sie?«
»Genau das, wovon Sie schon lange träumen«, sagte Carl Wennergren und holte ein Papier aus der Innentasche seines Sakkos. »Ich kündige mit sofortiger Wirkung.«
Anders Schyman spürte, wie sein Puls hochschoss, und betete im Stillen, dass man das seiner Stimme nicht anhören würde. Er ließ das Papier auf dem Schreibtisch liegen, sah nicht hin und machte auch keinerlei Anstalten, es aufzunehmen.
»Wieso das denn?«, fragte er mit ruhiger und kühler Stimme.
Carl Wennergren konnte seine Gefühle nicht so gut überspielen. Er schwitzte am Haaransatz, und die Hand, die das Papier hingeworfen hatte, zitterte ein wenig.
»Das ist Ihnen ja wohl klar«, erwiderte er aggressiv und distanziert zugleich.
»Nein«, sagte Schyman, »erklären Sie’s mir.«
Er sah den blonden Reporter an, der hoch aufgeschossen und mit breiten Schultern vor ihm stand.
Wenn der mir jetzt eine reinhaut, habe ich nicht die geringste Chance, fuhr es ihm durch den Kopf.
»Sie respektieren mich nicht als Reporter«, sagte der junge Mann. »Sie halten sich an Ihre Favoriten, zum Beispiel Bengtzon. In Ihren ethischen Beurteilungen sind Sie feige.
Sie haben nicht die Kompetenz, eine Zeitung zu machen. Soll ich noch weiterreden? Ich habe einfach keine Lust, hier weiter rumzurennen und mich von Ihnen niedermachen zu lassen.«
Carl Wennergrens Kinn zitterte, als er verstummte, und seine Worte ließen Anders Schymans Hände und Füße prickeln.
Er kündigt, weil ich hier Chef werde, dachte er. Mein Gott, er will nicht länger bleiben, wenn ich hier der oberste Chef bin. Ich habe gewonnen, großer Gott, es ist vorbei!
Er keuchte, legte die Hände kurz vors Gesicht und sammelte sich.
Du täuschst dich, ermahnte er sich selbst, das hier kann alles Mögliche heißen.
»Carl«, sagte er, »Sie sind ein mutiger und forscher Reporter. Manchmal geht es ein wenig mit Ihnen durch, und Ihr Urteilsvermögen ist nicht immer das beste, aber wenn Sie …«
»Nein«, schnitt ihm Carl Wennergren das Wort ab. »Ich habe keine Lust, noch länger unter Ihnen zu arbeiten. Ich werde heute Nachmittag meinen Schreibtisch räumen.«
Er drehte ihm demonstrativ den Rücken zu.
»Nun mal nicht so schnell«, sagte Schyman und ließ seine Stimme fast schleppend klingen. »Sie haben eine Kündigungsfrist von mindestens zwei, vielleicht sogar drei Monaten. Ehe ich Sie gehen lasse, würde ich gern noch mit Ihnen in Ihren Arbeitsvertrag schauen.«
Der Reporter wandte sich mit einem triumphierenden Lächeln um.
»Ich werde zu einem Konkurrenzunternehmen gehen«, sagte er. »Sie können mich nicht zwingen, noch hier zu arbeiten, wenn ich schon bei einem anderen Unternehmen unterschrieben habe.«
»Das kommt darauf an, um welches Unternehmen es sich handelt«, sagte Schyman und lehnte sich zurück, so dass der Stuhl knarrte.
Carl Wennergren hob das Kinn und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Ich werde Geschäftsführer bei Global
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