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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Worte sprudelten jetzt nur so aus ihr heraus. »Ich habe noch nicht einmal einen Toten gesehen, und dann eine Kollegin, jemand, mit dem man fast vier Jahre zusammengearbeitet hat und den man noch ein paar Stunden vorher lebendig gesehen hat …
    und dann ermordet! Erschossen! Hast du das Graue gesehen?
    Das klebrige Zeugs an der Wand und auf den Monitoren?
    Das war ihr Gehirn, verdammte Scheiße, das war ihr verdammtes Gehirn, es hing auf den Bildschirmen, Scheiße, wie grauenhaft, ihre Erinnerungen, ihre Kindheit, ihre Gefühle, alles, was sie war, jetzt nur noch klebrig und eklig und weg …«
    Sie ließ den Kopf hängen und fing wieder an zu weinen, jetzt ganz laut, wie ein Schrei. Karin legte ihr eine trockene warme Hand in den Nacken.
    »Anne«, flüsterte sie, »Anne, Liebes, du darfst hier nicht sein, die Polizisten werden stocksauer, wenn sie dich hier finden, beruhige dich doch, Liebes …«
    Anne Snapphane holte ein paar Mal tief Luft.
    »Verdammte Scheiße«, flüsterte sie, »verdammte Scheiße, Karin, alles ist so grauenhaft.«
    »Ich weiß«, sagte die Produzentin und nahm sie in den Arm. »Ich weiß.«
    So saßen sie lange da, die ältere Frau hatte die Arme um die jüngere gelegt.
    »Ich schäme mich so furchtbar«, flüsterte Anne, als sie sich ein wenig beruhigt hatte. Karin ließ ihre Schultern los. »Ich war immer so fies zu Michelle.«
    »Aber nein«, sagte Karin, »das warst du nicht.«
    »Doch«, erwiderte Anne Snapphane und wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. »Ich konnte sie nicht ausstehen, und das einfach nur, weil sie so viel hübscher und besser war als ich.«
    »Das war sie gar nicht«, widersprach die Produzentin. »Du warst immer eine viel bessere Journalistin als Michelle.«
    »Ich meine, im Fernsehen war sie besser«, erklärte Anne.
    »Sie kam über den Bildschirm ganz anders rüber als ich.
    Weißt du, dass wir beide den Moderatorinnenjob für die
Frauencouch
haben wollten? Sie hat ihn gekriegt, und das habe ich ihr nie verziehen.«
    »Soll das heißen, dass sie auf deine Kosten reich und berühmt wurde?«
    Anne zögerte, nickte dann aber.
    »So ähnlich.«
    Karin Bellhorn lächelte ein wenig.
    »Nun sieh mal, wie gut es für sie gelaufen ist.«
    Anne sah mit einem schockierten Gesichtsausdruck zu ihr auf, sah der Produzentin in die Augen und brach dann in ein hysterisches Kichern aus.
    »Also heute bin ich lieber ich«, sagte sie.
    Sie saßen schweigend nebeneinander auf dem Bett, und Anne Snapphane spürte, wie sich eine wehmütige Ruhe in ihrer Brust ausbreitete.
    »Was für ein beschissener Abend das war«, sagte sie nach einer Weile.
    Karin Bellhorn seufzte und schüttelte den Kopf. »So chaotische Dreharbeiten habe ich überhaupt noch nie erlebt, und dabei habe ich doch schon allerhand gesehen. Die Anarchisten waren einfach zu viel, wer hat die eigentlich aufgegabelt?«
    »Ich glaube, Mariana. Und hast du gehört, wie sie um zwei Uhr nachts mit Bambi Rosenberg im Gemeinschaftsraum über Nacktfotos diskutiert hat?«
    »Und dann platzte auch noch der Highlander in alles rein.
    Er hatte einen furchtbaren Streit mit Michelle.«
    »Der Chef selbst? Worum ging es denn?«, fragte Anne Snapphane.
    »Er hat sie rausgeschmissen.«
    »Jetzt hör aber auf!«
    Karin legte warnend den Zeigefinger auf den Mund.
    »Careful. Ich war doch dabei, er kam direkt nach der Sendung anspaziert. Michelle war in dem Moment natürlich überhaupt nicht zum Diskutieren aufgelegt, du weißt doch, wie durchgedreht sie nach den Sendungen war, und nach dieser hier noch mehr.«
    »Der Highlander hat sie doch nicht alle«, sagte Anne Snapphane.
    »Seine Argumente waren schon durchdacht, aber er hätte keinen schlechteren Moment auswählen können, um sie vorzubringen.«
    »Was hat er denn gesagt?«
    »Sie sei zu alt.«
    »Zu alt? Sie ist am Montag mal gerade vierunddreißig geworden!«
    Karin lächelte ein wenig, nicht ganz ohne Bitterkeit.
    »Zuerst hat Michelle gar nicht kapiert, wovon der Highlander überhaupt redet, so aufgeregt wie sie war. Einen Moment lang habe ich gedacht, sie würde in Ohnmacht fallen, sie war total weiß im Gesicht und kaute auf ihrer Zunge herum. Dann flippte sie völlig aus, sie schrie, er sei eine verdammte Schwuchtel, die in der Firma nur hochgekommen sei, weil sie Pimmel geleckt, Toiletten geputzt und den Chefs in London Kaffee gekocht habe …«
    »Was ja nicht ganz falsch ist«, meinte Anne.
    »… und sie würde sich weigern, irgendwelche Beschlüsse von einer

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