Prime Time
selbstgefälligen und machthörigen Marionette ohne Hirn und ohne Penis zu akzeptieren, ja, so machte sie immer weiter …« Anne Snapphane kicherte.
»Also, im Grunde war es wirklich komisch«, stimmte die Produzentin zu. »Der Highlander meinte, Michelle müsse ihm noch dankbar sein, weil er sich die Mühe gemacht hatte, persönlich mit ihr zu sprechen. Eigentlich hätte er ihr auch ein Einschreiben schicken können. So stand es offenbar in ihren Verträgen. Natürlich würde sie bis zum Ende der Vertragslaufzeit, noch ungefähr anderthalb Jahre, weiterbezahlt werden, vorausgesetzt, dass sie die abgesprochene Sperrzeit einhielt.«
»Das heißt, sie hätte in dieser Zeit nicht woanders arbeiten können?«
»Genau«, sagte Karin Bellhorn. »Wenn sie einen anderen Moderatorenjob angenommen hätte, wäre sie wegen Vertragsbruchs verklagt worden. Und das ist noch nicht alles.
Nach dem Auftritt oben im Stall ist Michelle auf ihn losgegangen, hat ihn einen Blutegel und einen Mühlstein und noch ein paar andere Dinge genannt.«
»Ist Follin auch rausgeschmissen worden?«, fragte Anne.
Karin Bellhorn zündete sich eine Zigarette an und fingerte an ihrer Unterlippe herum.
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich weiß überhaupt nichts mehr, zum Teufel.«
Plötzlich hatte Anne das Gefühl, wieder weinen zu müssen.
»Was machen wir hier eigentlich?«, flüsterte sie.
Sie saßen eine Weile schweigend da. Geräusche sickerten durch die Wände um sie herum. Über ihnen ließ Sebastian Follin Wasser aus seinem Waschbecken ablaufen, rechts tönte laut das Radio des Highlanders, links hustete Barbara Hanson.
»Du«, sagte Anne Snapphane, »was glaubst du, wer es getan hat?«
Karin fuhr mit der Zunge in den Mundwinkel und dachte nach. »Ich weiß nicht«, meinte sie. »Was glaubst du?«
»Denkst du, es war jemand von uns?«
Annes Flüstern war fast nicht zu hören.
Die Produzentin sah ausdruckslos und abwesend aus dem Fenster.
»Die Techniker sind nach Hause gefahren, sowie der Bus gepackt war«, sagte sie. »Von ihnen war nur noch Gunnar da.
Und wir.«
»Kann es jemand anders gewesen sein? Jemand, der von außen kam?«
»Mitten in der Nacht?«
Karin sah Anne mit leerem Blick an und schüttelte dann den Kopf.
»Nein«, flüsterte sie. »Es war einer von uns.«
Anne Snapphane schluckte laut.
»Ich denke, du solltest aufpassen, mit wem du redest und was du sagst«, meinte Karin.
Anne nickte, die Angst wieder im Nacken, die Augen weit aufgerissen.
»Hast du etwas gesehen?«, fragte Karin. »Irgendetwas Komisches?«
Auf einmal wurde Anne Snapphane misstrauisch. Zweifel ergriffen Besitz von ihr und schlugen ein Loch in das Fundament der Zutraulichkeit. Sie merkte, dass sich das in ihrem Blick widerspiegelte. Sie nahm Abstand, blieb wachsam.
»Nein«, flüsterte sie. »Du?«
Karin schüttelte den Kopf, und Anne sah ihre eigenen Gefühle im Blick der Produzentin.
»Ich werde jetzt gehen«, sagte Anne und stand mit neuer Trauer in der Brust auf.
Sie würden nie mehr vertraut miteinander umgehen können.
Chefredakteur Torstensson ließ nicht von sich hören. Anders Schyman saß unruhig in seinem Glaskäfig am äußeren Ende der Redaktion und wurde immer wütender. Vor ihm lag eine Reihe juristischer Dokumente, Klageschriften, die am Amtsgericht Stockholm eingereicht worden waren und den verantwortlichen Herausgeber des
Abendblatt
vor Gericht zitierten. Die Anklagepunkte reichten von Nachrede bis zu übler Nachrede.
Der verantwortliche Herausgeber, das war Torstensson. Als solcher hatte er immer das letzte Wort, wenn es um Kontroversen in Fragen der Veröffentlichung ging. Es spielte keine Rolle, was der Rest der Redaktion sagte. Der Chefredakteur hatte das Sagen. Nach einigem Hin und Her hatte Schyman durchgesetzt, dass er als Redaktionsleiter beim Patent- und Registeramt als stellvertretender verantwortlicher Herausgeber eingetragen wurde. Das bedeutete, Torstensson konnte ihm die Verantwortung überlassen, allerdings nur wenn der Chefredakteur dies ausdrücklich sagte. In diesen Fällen wurde das Impressum der Redaktion geändert, was zwar nur ein kosmetischer Aspekt war, Schyman jedoch intern Macht verlieh. Es geschah nur sehr selten.
Anders Schyman raufte sich die Haare. Die Situation war überhaupt nicht lustig.
Michelle Carlsson war seit langem ein Problem für das
Abendblatt
gewesen, und die Wahrheit war, dass auch das
Abendblatt
für Michelle Carlsson ein Problem gewesen war.
Einige Mitarbeiter der
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