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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Zeitung hatten sich darauf eingeschossen, dass die Fernsehjournalistin kein Niveau habe, was sie ihren Lesern oft und gern mitteilten. Zweimal hintereinander hatten sie Michelle zur schlechtest gekleideten Frau des Jahres erklärt, hatten sie die meistüberschätzte Schwedin des Millenniums genannt, sie als Fernseh-Bimbo bezeichnet und mit weiteren wenig schmeichelhaften Namen belegt, an die sich Schyman auf die Schnelle nicht erinnern konnte. Sie hatten ihre Sendung verhöhnt und sie auf den Kulturseiten karikiert, hatten sie in der Fernsehspalte abgesägt und sich über sie lustig gemacht, als sie den Fernsehpreis der Leser entgegennahm. Nach Michelles überwältigendem Sieg hatte die Zeitung das Regelwerk für die Vergabe des Fernsehpreises geändert. Jetzt durften die Leser nicht mehr wählen, wen sie wollten. Bei der Zeitung gab es eine Jury, mit Barbara Hanson an der Spitze, die stattdessen vier Fernsehpersönlichkeiten aussuchte, unter denen die Leser wählen konnten. Das letzte Mal hatte Anders Schyman zwei von ihnen überhaupt nicht gekannt.
    Solange Kritik und Tratsch auf dieser Ebene geblieben waren, hatte weder Michelle Carlsson noch einer ihrer Rechtsanwälte von sich hören lassen.
    Erst als die Artikel über ihre angebliche Briefkastenfirma veröffentlicht wurden, klagte sie zum ersten Mal. Wenn Anders Schyman es recht verstand, würde die Zeitung ohne jeden Zweifel verurteilt werden.
    Die zweite Klage kam, als man Nacktfotos von Michelle zusammen mit einem Mann gebracht hatte, von dem die Zeitung auch noch behauptete, er sei ein entwichener Sträfling. Michelle empfand die Verbindung zwischen ihr und dem Sträfling als zutiefst kränkend. Zu allem Übel hatte die Zeitung auch noch den Kriminellen mit einem norwegischen Filmstar verwechselt, was eine weitere Klage mit sich brachte. Der Filmstar war verheiratet und hatte Kinder und behauptete, er sei durch die Nacktfotos geschädigt worden. Die Strategie der Zeitung in den verschiedenen Verhandlungen musste deshalb etwas schizophren wirken. Wenn es um Michelle ging, behauptete man, der Mann sei eindeutig als der norwegische Filmstar zu erkennen und es gebe deshalb für sie überhaupt keinen Grund, gekränkt zu sein, egal, ob die Zeitung behauptet hatte, der Mann sei kriminell.
    In dem anderen Fall, dem des Filmstars, behauptete die Zeitung, dass der Mann nicht zu erkennen sei, sondern vielmehr behauptet habe, ein entflohener Krimineller zu sein, was bedeuten würde, dass der Filmstar in keiner Weise geschädigt worden sei.
    Anders Schyman seufzte und rieb sich die Stirn.
    In der dritten Klage, in der man einen Vergleich erreicht hatte, ging es um Michelle Carlssons Mutter. Ein Reporter hatte die versoffene Mutter des Fernsehstars in einem Hotel in Riga aufgegabelt, wo sie mit mäßigem Erfolg versuchte, sich als Prostituierte durchzuschlagen.
    »Es gibt inzwischen so viele junge süße Mädchen in der Branche«, hatte die Frau auf der ersten Seite des
Abendblatt
geklagt. Angeblich bettelte sie Michelle an, doch einmal von sich hören zu lassen, weil sie ihr Mädchen ja so sehr vermisse und ihre Freundschaft ihr dermaßen fehle, dass sie sich Drogen und Alkohol hingegeben habe. Schymans Wangen wurden heiß, als er an die Überschrift dachte: »Hilf mir, meine geliebte Michelle!« Dass die Frau ihr Kind beim Vater abgegeben hatte, als es drei Jahre alt gewesen war, erwähnte natürlich niemand.
    Ein Vergleich war nur deshalb möglich, weil Michelle Carlsson nicht über ihre Mutter reden wollte. Das war die Zeitung natürlich viel billiger gekommen als das Honorar für den Anwalt der Zeitung bei einem langwierigen Prozess. In den anderen Fällen war es zu keinem Vergleich gekommen, weil Michelle Carlsson sich geweigert hatte. Jetzt war es zu spät.
    Der Redaktionschef schob die Klagen der ermordeten Frau zu einem Stapel zusammen. Der Kopf wurde ihm schwer in der schlechten Luft. Er wusste, dass er noch lange hier sitzen würde. Jedes einzelne Wort, das am folgenden Tag über Michelle Carlsson in der Zeitung erscheinen würde, würde er prüfen müssen. Das Letzte, was sie jetzt brauchen konnten, war eine weitere Klage, und sei es auch nur nach Paragraph 4 in der Verordnung über Pressefreiheit, üble Nachrede bei Verstorbenen.
    Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, die Mechanik knackte unter seinem Gewicht. Seine Frau war zu einem Mittsommeressen bei ein paar Freunden in Vikingshill eingeladen. Er schloss die Augen und sah sie vor sich unter der großen

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