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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Treppe. Als sie noch allein waren, ging das, doch nach Kalles Geburt wurde es fast unmenschlich schwer. Sie hatte geschleppt und geweint, aber nie geklagt. Sie wusste genau, wenn sie das täte, würde er gehen. Die gesamte Elternzeit hatte sie allein genommen und niemals irgendwelche Forderungen an ihn gestellt. Sie spülte, wärmte Wasser auf, stillte, kaufte ein, wechselte Windeln, putzte und liebte mit derselben eisernen Entschlossenheit.
    Wenn sie das schaffte, würden sie klarkommen. Um weiter in dem Haus wohnen zu dürfen, ließ sie sich in dem Gebäude unentgeltlich als Hausmeisterin und Kontaktperson anstellen.
    Sie wechselte Glühbirnen im Treppenhaus, legte in dem gemeinsamen Badezimmer im Vorderhaus Klopapier und Handtücher nach und rief den Verwalter an, sowie einer der Mieter in dem abbruchreifen Haus eine feuchte Stelle oder einen Riss entdeckte.
    Als das Vorderhaus renoviert wurde, nahm sie Einwände und Klagen der Bewohner entgegen, leitete sie an den Vermieter weiter und handelte Lösungen aus, von denen alle Seiten einigermaßen profitierten.
    Sie war mit Ellen im siebten Monat schwanger, als endlich der Bescheid kam.
    Thomas und sie würden eine Fünfzimmerwohnung im Vorderhaus bekommen, dritte Etage mit Fahrstuhl, Kachelofen und Balkon zum Garten hinaus. Als sie den Umschlag mit dem Angebot aufgemacht hatte, musste sie vor Freude weinen, und noch heute dröhnte ihr der einzige Kommentar im Ohr, zu dem Thomas sich herabließ:
    »Also, für die Miete könnten wir in drei Häusern wohnen.«
    Wahrscheinlich hatte er Recht. Die Wohnung war teuer, aber fantastisch. Holztäfelung, Doppeltüren, in allen Zimmern abgeschliffenes und geöltes Parkett, ein Herd mit Glaskeramikfeld, zwei Badezimmer mit Fußbodenheizung.
    Als die Eltern von Thomas sie zum ersten Mal besuchten, hatten sie ähnliche Kommentare abgegeben.
    »Was sagst du, zahlt ihr an Miete? Dafür hättet ihr ja ein Haus haben können.«
    Es fiel Thomas’ Mutter schwer, mit Annika zu reden, sie konnte ihr nicht verzeihen, dass sie ihre Vorstellungen vom Leben durcheinander gebracht hatte. Eleonor war die Tochter gewesen, die sie nie gehabt hatte. Soweit Annika wusste, trafen sich die beiden immer noch oft und gern. Nicht einmal die Kinder hatten die Schwiegermutter dazu bewegen können, sie zu akzeptieren.
    »Die armen Kinder müssen in der Stadt wohnen«, sagte sie.
    Was Annika tat, war nie gut genug.
    »Meine Güte«, sagte sie manchmal, »wie mager die Kinder sind. Essen sie nicht ordentlich?«
    Unterschwellig hieß das: Gibst du ihnen nichts zu essen?
    Dann: »Wollen wir mal hoffen, dass sie nicht so dünn werden wie du.« Zu ihrem Schwiegervater hatte sie überhaupt keine Beziehung. Wenn er zu ihnen kam, las er die Zeitung und antwortete nur noch gedankenverloren und einsilbig.
    Manchmal geschah es, dass er sich auf ihr Bett im Schlafzimmer legte und sich durch Abendessen und Fernsehabende schnarchte.
    Ein scharfer Gewitterknall ließ sie auffahren. Der Himmel hatte sich wieder verdunkelt und hing pechschwarz und drohend über den weißen Gebäuden. Die Luft vibrierte vor Elektrizität, und eine Windbö schob sie nach vorn. Verärgert steckte sie den feuchten Schreibblock in die Tasche, die sie sich über die Schulter warf. Im nächsten Augenblick explodierte die ganze Landschaft in blauweißem Licht, und der Donner folgte Sekundenbruchteile später. Jeden Moment würde der Regen wieder über ihr losbrechen.
    Sie ging leise hinter den Hecken durch und langsam an der Rückseite der alten Stallgebäude entlang. Sie sah zum Parkplatz hinüber. Die Journalisten waren alle weggefahren.
    Die Polizisten, die die Absperrungen zum Schloss bewacht hatten, waren verschwunden. Noch ein Blitz zuckte über den Himmel, das sekundenlange Zögern des Donners zeugte davon, dass das Gewitter sich ein klein wenig entfernt hatte.
    Sie ging schnell die Längsseite des Stalls entlang. Unten bei der Waschküche stand ein Kellerfenster offen und schlug im Wind hin und her. Sie hoffte, nicht hineinklettern zu müssen.
    Vorsichtig probierte sie die Küchentür, die ein wenig quietschte und dann mit einem leisen Klagelaut aufging.
    Schon trafen sie die ersten Wassertropfen, so groß wie Tischtennisbälle. Ohne nachzudenken, betrat sie die Wirtschaftsküche und zog die Tür hinter sich zu.
    Dunkelheit umschloss sie. Vor dem einzigen Fenster des kleinen Raumes webte der Regen eine graue Jalousie. Sie konnte eine Waschmaschine und einen Wäschetrockner erkennen, dann

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