Prime Time
an den verschnörkelten Revolver gekommen?«
»Vom Laster gefallen, wie immer«, sagte er. »Was wissen Sie noch?«
»Abgesehen von der Waffe?« Sie zuckte mit den Schultern.
»Wen Sie alles verhört haben, dass sich alle die ganze Nacht lang wie verrückt gestritten haben, dass einer der zwölf wahrscheinlich der Mörder ist.«
»Es kann ja auch jemand über den See gekommen sein«, sagte Q und ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel.
»Natürlich«, sagte Annika. »Deshalb benutzt die Regierung auch Yxtaholm für ihre geheimen Friedensverhandlungen, weil es für Mörder so leicht ist, in der Nacht ungesehen hierher zu kommen.«
Der Polizist lachte laut mit der Zigarette im Mundwinkel.
Dann schob er die Hände in die Jackentaschen, kehrte ihr den Rücken zu und ging zum Schloss.
Lach du nur, dachte sie triumphierend. Ich bin ungesehen über den See gekommen, und das mitten am Tag.
»Annika!«
Die Stimme kam vom Schlagbaum beim Gestüt. Dort stand Berit Hamrin unter einem Regenschirm neben einem der Dienstwagen des
Abendblatt
.
»Was gibt’s Neues?«, rief sie.
Annika lief auf sie zu und winkte erleichtert.
»Sie lassen die Zeugen nicht raus«, antwortete sie, »aber ich will noch ein wenig hier bleiben. Kannst du mich später aufsammeln?«
Berit drehte den Daumen nach oben, Annika salutierte und lief zum Fotografen, den sie auf die Seite zog.
»Fahr mit Berit, hol das Auto und miete dich im Gasthaus an der Statoil-Tankstelle in Flen ein«, sagte sie. »Berit holt mich später ab. Ich will mich noch etwas umsehen.«
»Wie? Was hast du vor?«
Sie zuckte mit den Schultern und sah sich um.
»Ich muss noch ein paar Sachen prüfen«, sagte sie.
»Und was?«
Sie machte auf dem Absatz kehrt, verließ den Parkplatz, ging am Glockenturm vorbei und um den Stall herum. Am Ufer des Långsjö lagen Hühnerställe, die Waschküche und die Tennisplätze.
Die Waschküche war verschlossen. Sie lehnte sich gegen die Wand und sah sich um. Der Regen hatte jetzt fast aufgehört, er hing nur noch wie ein feuchter Dunst zwischen den Häusern.
Mit einem Mal wurden ihr die Düfte des Sommers bewusst, das frisch gemähte Gras, die blühenden Rosen, die Feuchtigkeit und die Frische. Sie stellte ihre Tasche auf die Treppe und setzte sich daneben auf ihren Schreibblock, um keinen nassen Hosenboden zu bekommen. Auf dem Parkplatz wurden mindestens zwei Autos angelassen und fuhren davon.
Jetzt konnte sie nur noch warten.
Du bist wirklich eine lausige Mutter. Verdammt. Das verzeihe ich dir nie.
Sie strich sich übers Haar. Er meinte das nicht so. Solche Sachen sagt man, wenn man traurig und wütend ist. Er würde es schon noch verstehen, und es war auch nicht erstaunlich, dass er überreagierte. Er hatte unheimlich viel gearbeitet. Das Projekt zur Sozialhilfe, das ihn dreieinhalb Jahre lang beschäftigt hatte, musste zum Monatswechsel abgeschlossen sein, und er war noch nicht fertig. Außerdem wusste er nicht, ob mit dem Abschluss des Projektes nicht auch seine Anstellung beim Schwedischen Gemeindetag enden würde.
Es war vage über weitere Aufträge gesprochen worden, aber Beschlüsse gab es noch nicht.
Annika wusste, dass es Thomas quälte, nicht vorausplanen zu können. Er ließ sich nicht von ihr trösten und wollte auch nicht auf ihre Argumente hören. Es gab doch noch andere Jobs, noch mehr Arbeitsplätze als den Gemeindetag. Wenn sie ihm die Stellenangebote für Stadtkämmerer oder Leiter von Finanzabteilungen zeigte, wurde er nur mürrisch und sauer.
Eigentlich wusste sie genau, wo der Hund begraben lag.
Thomas wollte eine tolle Stelle haben. Er wollte einen Job, der seine Position als Stadtkämmerer von Vaxholm übertraf.
Er wollte seinen Eltern und den alten Bekannten zeigen, dass er, wenn er sich schon in allen anderen Bereichen verschlechtert hatte, zumindest bei seiner Karriere einen Schritt nach vorn machte.
Annika sah über den Schlosspark und merkte, dass es nicht mehr regnete. Sie wusste, dass Thomas sein Leben so sah. Sie war ein schlechter Tausch. Nichts von alldem, was sie war, hatte oder tat, konnte sich mit Eleonor messen, mit seiner Ehefrau, der Bankdirektorin in der Villa in Vaxholm.
Darüber hatten sie nie gesprochen, aber sie sah es in seinem Blick und in dem angespannten Zug um den Mund. Ihre Bemühungen genügten nicht und würden auch nie genügen.
In den ersten beiden Jahren hatten sie in ihrer baufälligen Wohnung gewohnt, ohne Fahrstuhl oder warmes Wasser, die Toilette auf der halben
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