Prime Time
eine kleine Spüle aus Edelstahl und Haufen schmutziger Bettwäsche. Eine Tür führte in eine kleine Küche. Dort waren Spülmaschine, Kaffeemaschine, ein Küchentisch mit sechs Stühlen und Wachstuch, leere Flaschen und Zeug und überall schmutziges Geschirr. Das Fenster führte auf die Rückseite des Hauses, und eine Tür, die in den großen Salon zu führen schien, stand einen Spaltbreit offen. Sie schob sie auf und blieb wie vom Donner gerührt stehen.
Nahezu alle Möbel in dem Zimmer, ein Sofa, zwei Sessel, ein Esstisch, waren umgeworfen. Einige Stühle waren kaputt und in den großen Eingangsbereich geworfen worden. Vor dem Kamin lag eine zerschlagene Blumenvase. Die Lupinen, die darin gestanden hatten, lagen jetzt verwelkt inmitten von Porzellanscherben und Wasser. Die Teppiche waren verschoben, ein Bild war von der Wand gefallen.
Ich darf hier nicht sein, fuhr es ihr durch den Kopf. Ich sollte schnell von hier verschwinden.
Aber sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf das Chaos. Hier war ein Riese durchgegangen, hatte alles umgeschmissen, mit Sachen geworfen und gewütet.
Fasziniert versuchte sie, sich die Ereignisse vorzustellen, die zu diesem Durcheinander geführt haben konnten, und die Kraft in den Armen, die die Rückenlehnen der Stühle zerbrochen hatten. Vorsichtig ging sie in das Gewühl hinein, bewegte sich zögernd auf den umgeworfenen Esstisch zu, darunter konnte sie Spielkarten und zerbrochene Gläser sehen. Das Gefühl, sich an einem verbotenen Ort zu befinden, ließ ihren Adrenalinspiegel steigen. Sie ging weiter, jetzt schneller.
Hinter einem der Sessel lag Papier, Computerausdrucke mit einem regelmäßigen karierten Muster. Sie bückte sich, hob ein Blatt auf und las: »Ablaufplan Sendung 7, Sommerschloss«. Sie überflog die Seite, es war ein Arbeitspapier für jemanden aus dem Fernsehteam, die Wörter gaben ihr aber keinen Aufschluss darüber, für wen: Vignette, Klappe, VB, live, Schlusswort, Musik, Anmoderation, Gast, Klappe … Annika legte das Blatt wieder ungefähr so hin, wie es gelegen hatte. Sie ging zum Kamin. Das Licht eines Blitzes ließ die Konturen scharf hervortreten.
Hier hat jemand wie ein Berserker gehaust, dachte sie. Sie fühlte sich schlecht, war aber seltsam aufgekratzt.
Neben der zerbrochenen Blumenvase lag ein dunkles Bündel, sie tastete sich vor, zog an der einen Ecke des Tuchs und hielt es zum Fenster hin. Es war ein Kleidungsstück, schwarz, ein Rock, ein wenig feucht, wahrscheinlich vom Regen oder von dem Wasser aus der Vase. Annika ließ es wieder fallen, sah sich um und hatte dann eine Idee. Sie steckte die Hand in die Asche im Kamin. Kalt, keine Restwärme von der vergangenen Nacht.
Sie rieb die Hände aneinander, um Asche und Staub loszuwerden, als der Himmel über ihr explodierte. Das ganze Haus wackelte, die Blitze zuckten, und sie drückte sich erschrocken an die Wand. Elektrizität erfüllte die Luft, saß ihr im Hals, und es roch nach Schwefel.
Ich kann verstehen, dass die Leute früher an Thor glaubten, dachte sie.
Da hörte sie ein Geräusch von der Eingangstür auf der anderen Seite des Raumes. Wie paralysiert starrte sie auf die Klinke und sah beim nächsten Blitz, wie sie heruntergedrückt wurde und die Tür langsam aufging.
Annika schrak zusammen, machte drei schnelle Schritte in die Küche und versteckte sich hinter dem Türrahmen. Es war ein Mann, der eilig in den Salon kam und die Tür hinter sich zuzog. Als er die Kapuze des Regenmantels zurückschlug, war sie so erleichtert, dass ihr fast die Beine wegsackten. Der blöde Kerl! Was machte der denn hier?
Sie blieb im Schatten der Tür stehen und sah, wie er zwischen den Dingen nach etwas suchte. Beim schlimmsten Donner hielt er inne, dann bewegte er sich vorsichtig weiter, nahm immer wieder etwas in die Hand, schob es woanders hin, betrachtete es und legte es wieder weg. Er bückte sich, schaute unter ein paar Sachen, hob andere hoch und tastete mit den Händen in den dunkelsten Ecken. Als er ungefähr einen Meter von der Küche entfernt war, stieß sie die Tür auf und sagte: »Hast du was verloren?«
Carl Wennergren fuhr vom Fußboden hoch und machte ein paar Schritte zurück. Sein Gesicht leuchtete kreideweiß, die Augen waren weit aufgerissen und voller Angst. Annika lehnte im Türrahmen und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Was um Himmels willen …?«, setzte Carl Wennergren an.
»Verdammt, wo kommst du denn her?«
»Ich bin vom
Abendblatt
«, erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher