Prime Time
eine Stimme hinter ihm.
Ihm blieb das Herz stehen. Er schloss die Augen und holte tief und geräuschlos Luft. Am liebsten wäre er gestorben.
»Hallo, Eleonor«, sagte er und drehte sich um.
Als Erstes fiel ihm ihr Haar auf. Sie trug es ganz kurz und ein wenig struppig, mit hellen Strähnchen. Sie war größer, als er sie in Erinnerung hatte, weicher.
Mein Gott, dachte er, wie gut sie aussieht.
Die Frau, mit der er dreizehn Jahre lang verheiratet gewesen war, reichte ihm die Hand und lächelte.
»Schön, dich zu sehen«, sagte sie.
Er hob das Mädchen auf den linken Arm hinüber und nahm Eleonors Hand. Sie war warm und trocken.
»Ganz meinerseits«, erwiderte er.
»Das ist also das Wunderwerk«, sagte sie und lächelte das Kind an. Ihre Stimme war völlig frei von Bitterkeit.
»Kalle und Ellen«, sagte er.
Sie lächelte ihn an. Die Sonne ließ ihr Haar glänzen, ihr Blick war braun und warm.
»Ja«, sagte sie, »ich weiß.«
Aus dem Haus seiner Eltern kam ein Mann und stellte sich schräg hinter Eleonor. Sie legte die Hand auf seinen nackten Arm.
»Das ist Martin«, erklärte sie.
»Sehr erfreut«, sagte der Mann und reichte ihm eine braun gebrannte und feste Hand.
Thomas lächelte, bis ihm der Kiefer wehtat. Martin? Was war denn das für ein Typ?
»Du warst gestern schon weggetreten, als Eleonor und Martin kamen«, sagte seine Mutter in leicht säuerlichem Ton und tätschelte den beiden jeweils den Arm, als sie an ihnen vorbei ins Haus ging. »Ihr nehmt doch sicher einen Kaffee, oder?«
Thomas entschuldigte sich und floh mit dem Kind ins Badezimmer. Dort stellte er das Mädchen auf den Fußboden und suchte im Schrank nach Pflaster. Er fuhr zusammen, als er sein Gesicht im Spiegel sah: Es war fleckig und rot, die Augen verwirrt und blutunterlaufen, fettige Haare, nicht rasiert. Sein Gaumen brannte. Er füllte ein Zahnputzglas mit eiskaltem Wasser und trank gierig.
»Papa«, sagte das Mädchen zu seinen Füßen, schlug an sein Bein, sah zu ihm hoch und lächelte mit acht Zähnen.
Er bereitete das Pflaster vor, bückte sich, strich eine Locke aus dem Gesicht des Kindes und drückte es fest.
»Ellen«, flüsterte er, »Papas Ellen.«
Er zog das Mädchen an sich, spürte die Wärme und atmete ihren süßen Geruch ein.
»Papa«, sagte sie und legte die Arme um seinen Hals.
»Gunnar Antonsson?«
Der Technical Operation Manager stand schnell auf. Er hatte gar nicht gehört, dass die Frau die Tür geöffnet hatte.
»Ich heiße Karin Lindberg«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Staatsanwältin und Leiterin der Voruntersuchungen in diesem Fall. Darf ich mich setzen?«
Der Mann sammelte sich, nickte und zeigte erst auf das Bett, dann auf den Stuhl. Die Staatsanwältin zog ihren Rock zurecht und setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen hm, die Hände auf den Knien.
Eine elegante Frau, dachte er.
»Man hat mir gesagt, es sei von größter Wichtigkeit, dass Ihr Trailer nicht länger als unbedingt nötig beschlagnahmt wird«, begann sie.
Er nickte wieder und korrigierte sie nicht, was den Typ des Fahrzeugs anging.
»Können Sie mir erklären, warum das so wichtig für Sie ist?«
Gunnar Antonsson schluckte laut und spürte, wie sein Adamsapfel hüpfte. Er suchte nach Worten. Es ging nicht nur ums Geld, auch um die Liebe, um das Leben, irgendwie.
Heute Abend begann das Konzert in der Dalhalla. Er hätte auf der Tribüne des natürlichen Amphitheaters sitzen und die Kraft der Musik genießen können, während gleichzeitig Geld in die Firma floss. Der Gedanke daran machte ihn wütend.
»Es ist momentan nicht gerade leicht«, sagte er kurz angebunden. »Für die Firma, meine ich. Wir haben noch bis Ende nächster Woche Arbeit, und dann ist Schluss. Wir müssen diesen Auftrag hier fertig machen, sonst …«
Er verstummte und ließ den Blick aus dem Fenster schweifen.
Er würde Michelle vermissen. Sie war an dem Bus ehrlich interessiert gewesen, hatte seinen Ausführungen über den Aufbau der Technik und der ganzen Geräte gern zugehört.
Sie hatte versucht, alles zu verstehen, und hatte die Möglichkeiten und Anwendungsgebiete ausweiten wollen.
Ein paar im Team waren genervt gewesen, dass sie für ihn, einen Techniker, Zeit erübrigte.
»Ich habe mit der Spurensicherung und den Ermittlern geredet«, sagte die Staatsanwältin, »und wir werden versuchen, das Fahrzeug jetzt so gründlich und systematisch zu untersuchen, dass es bereits Anfang nächster Woche wieder zurückgegeben werden
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