Prime Time
total fertig.«
»Und Wennergren?«
Annika sah das verwüstete Zimmer vor sich und hatte den Geruch von Schwefel wieder in der Nase.
»Ich bin in einem Seitengebäude auf ihn gestoßen. Er hat nach irgendwas gesucht, mir aber nicht gesagt, wonach.«
»Carl ist wirklich schwierig. Hat er denn gar nichts darüber gesagt, was passiert ist?«
Annika schüttelte den Kopf.
»Es soll ziemlich viel Streit gegeben haben. Der Gemeinschaftsfilm im Stall war total verwüstet, und Michelle hat offenbar was mit John Essex gehabt.«
Berit schlug sich mit dem Stift gegen die Schneidezähne.
»Er hat nach was gesucht, sagst du? Groß oder klein?«
Annika dachte nach.
»Klein. Er hat mit den Händen unter einem Büfett getastet und ein paar kleinere Sachen hochgehoben, um drunterzuschauen.«
»Papier? Einen Block? Was Kleineres? Das kann alles gewesen sein. Zigaretten. Feuerzeug. Flachmann. Irgendein Kleidungsstück. Adressbuch. Handy. Wer hat denn das Zimmer verwüstet?«
»Wennergren behauptet, Sebastian Follin sei es gewesen, aber ich weiß nicht, ob das stimmt.«
Berit stand auf, schüttelte ratlos den Kopf und ging dann mit dem Block in der Hand zur Tür.
»Man kann sich hier nicht gegenseitig anrufen. Klopf einfach an die Wand, wenn was ist.«
Sie ließ Annika in dem engen Zimmer zurück. Als die Tür zuschlug, meldete sich die Stimme wieder.
Du bist wirklich eine lausige Mutter.
Sie holte ihren Laptop aus der Tasche, fand hinter der Gardine eine Steckdose und schaltete den Computer ein.
Dann starrte sie mit leerem Blick auf die Programmsymbole und die Startprozeduren des Mac.
Das kommt dir ja gerade recht. Das verzeihe ich dir nie.
Sie holte das Handy aus ihrer Tasche und wählte die Nummer von Thomas. Die Mailbox, eine raue und kalte Stimme. Sie zögerte, legte dann aber auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Dann legte sie das Kissen auf den unbequemen Stuhl am Schreibtisch, um etwas höher zu sitzen und die Unterarme beim Schreiben in einem besseren Winkel halten zu können. Drei Sekunden lang stützte sie den Kopf auf die Hände, dann schrieb sie los. Erst den kurzen Artikel über das Schloss, der war am leichtesten. Dann schrieb sie zusammen, was sie über den Mord wusste. Es war zwar nicht viel, aber niemand würde mehr wissen. Ehe sie mit der Namensliste anfing, rief sie Anders Schyman an. »Einer von ihnen scheint ja wohl der Mörder zu sein, oder?«, fragte er.
»Wahrscheinlich.«
Der Redaktionschef seufzte so laut, dass man es auch ohne Telefon bis nach Flen gehört hätte.
»Verdammte Scheiße«, sagte er. »Das gibt einen Balanceakt erster Güte. Soweit man weiß, waren da in der Nacht auch keine anderen Leute, oder?«
»Nein.«
»Aber es hätte doch jemand hinkommen können, der dann wieder weggefahren ist.«
»Theoretisch ja.«
»Mit dem Auto? Fahrrad? Heißluftballon?«
»Ja, oder mit dem Boot.«
»Boot! Das ist gut. Stürzen Sie sich darauf. Das Schloss war vom Boden, von der Luft und vom Wasser aus zugänglich. Jeder hätte dorthin gelangen und Michelle ermorden können.«
»Im Artikel davor haben wir aber gesagt, dass Yxtaholm so einsam liegt, dass die Regierung es für Geheimverhandlungen benutzt.«
»Scheiße«, war Schymans Kommentar. »Weg damit.«
Annika stöhnte.
»Und was mache ich dann? Die letzte Nacht im Schloss?
Freunde? Zeugen? Wie soll ich die Leute nennen?«
Der Redaktionschef schwieg eine Weile.
»Was meinen Sie denn selbst?«
Sie schluckte, drückte den Hörer etwas fester ans Ohr und bewegte die Finger über die Tastatur.
»In der Nacht befanden sich viele Menschen rund ums Schloss Yxtaholm«, probierte sie und schrieb gleichzeitig.
»Gäste aus der Sendung, Journalisten, Künstler, technisches Personal sowie Freunde und Kollegen von Michelle Carlsson.
Außerdem hätte jeder in der Nacht hinkommen und dann wieder abfahren können, entweder mit dem Auto oder einem Boot, erklärte eine Polizeiliche Quelle dem
Abendblatt
.«
»Stimmt das?«
»In gewisser Weise«, sagte Annika und fuhr fort: »Im Schloss wird niemand gegen seinen Willen festgehalten. Die Personen, die im Laufe des Tages verhört wurden, haben aus freien Stücken kooperiert, um die Ermittlungen voranzubringen, die sie alle gern unterstützen möchten, sagt Kriminalkommissar Q. Das
Abendblatt
kennt die Namen der elf Personen, die am Morgen des Mittsommerabends noch im Schloss waren. Diese Personen wurden den Tag über verhört.
Die zwölfte, John Essex, ist an einem anderen Ort verhört
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