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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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im Gegensatz zu Ehrgeiz und Zielgerichtetheit stehen.«
    Er drehte sich zu Herman Wennergren um, der zustimmend nickte.
    »Machen Sie Witze mit mir?«
    Jetzt war der Chefredakteur richtig sauer, die Restaurantgeräusche waren verschwunden und wurden durch das Rauschen des Windes im Hörer ersetzt.
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte Schyman. »Nicht im Geringsten. Aber nun ist gerade Herman Wennergren hier, und er hat ein paar Anregungen, was die publizistischen Beschlüsse der Zeitung von heute angeht. Möchten Sie mit ihm sprechen?«
    »Ich? Jetzt?«
    »Das habe ich mir gedacht. Hier ist er.«
    Schyman reichte den Hörer weiter, das Herz raste ihm in der Brust. Er merkte, dass die Hand des Vorstandsvorsitzenden Wennergren warm und feucht war.
    »Dass man so etwas lesen muss«, sagte Herman Wennergren, »und noch dazu in seiner eigenen Zeitung. Eine Sünde und Schande ist das. Sünde und Schande!«
    Schyman schluckte, spitzte die Ohren und konzentrierte sich darauf, ihn nicht anzustarren. Von der Antwort des Chefredakteurs konnte er nichts hören.
    »Carl!«, schrie Wennergren mit hochrotem Gesicht. »Sie haben meinen Sohn in der Zeitung von heute als Mörder bezeichnet. Wie können Sie es nur wagen!«
    Schweigen. Eine Ader pochte an der Schläfe des Mannes.
    »Was in aller Welt sollte ich denn sonst meinen?«, brüllte er in den Hörer.
    Schyman betrachtete den Staub auf der Scheibe.
    »Sind Sie nun der verantwortliche Herausgeber oder nicht?«
    Der Vorstandsvorsitzende nahm die Zeitung vom Schreibtisch und blätterte darin.
    »Ich schaue mir gerade das Impressum an. Soll das vielleicht heißen, dass Sie Ihre Aufgabe nicht mit dem nötigen Ernst betreiben?«
    Schyman wandte das Gesicht ab, schloss die Augen und atmete mit offenem Mund. Auf Biegen und Brechen, dachte er.
    Als der Vorstandsvorsitzende nach langem Schweigen wieder sprach, klang seine Stimme ruhiger.
    »Gut. Natürlich. Bis dann.«
    Er knallte den Hörer auf die Gabel. Schyman wandte sich um. Das Gesicht von Herman Wennergren war rot vor Wut.
    »Konspirieren Sie gegen den Chefredakteur?«, fragte er.
    Schyman seufzte und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Er lehnte sich zurück und entspannte sich.
    »Ich wünschte, es wäre so einfach«, sagte er, faltete die Hände und legte sie in den Nacken. »Um gegen jemanden konspirieren zu können, muss der Gegenpart einen bestimmten Willen haben, eine Verhaltensweise, gegen die man rebelliert. Das ist bei dieser Zeitung aber nicht der Fall.«
    Der Vorstandsvorsitzende blinzelte verwirrt.
    »Wie meinen Sie das?«
    Schyman beugte sich vor und sah Wennergren direkt an.
    »Torstensson ist dabei, die ganze Zeitung den Bach runtergehen zu lassen. Er hat nicht die leiseste Ahnung, was er hier eigentlich macht. Wir anderen müssen ihn jeden Tag aufs Neue retten. Als Chefredakteur ist er eine Katastrophe.«
    Herman Wennergren stand vollkommen still. Vielleicht glaubte er, sich verhört zu haben. Solche Worte waren in all den Jahren niemals von einem der Untergebenen über einen Chefredakteur der Zeitung gesagt worden. Schyman hielt seinem Blick stand.
    »Soll das heißen …«
    »Im Vorstand müssen Sie diese Frage doch schon einmal diskutiert haben«, meinte Schyman, der wieder aufgestanden war. »All die Klagen, die Verurteilungen vorm Presserat, die sinkende Auflage, die mangelhafte Glaubwürdigkeit in den Marktuntersuchungen.«
    »Das ist die Konjunktur«, sagte Herman Wennergren. »Die wachsende Konkurrenz durch das Fernsehen und das Internet.« Schyman schüttelte den Kopf.
    »Sicher ein Punkt«, meinte er, »aber nicht die Hauptursache unseres Problems. Die Auflage der Konkurrenz steigt, aber unsere sinkt.«
    »Und Sie meinen, das sei die Schuld des Chefredakteurs?«
    »Natürlich nicht allein. Alle tragen ein Stück der Verantwortung. Aber das
Abendblatt
ist hierarchisch aufgebaut und deshalb abhängig von einer starken und durchdachten Leitung. Ich bin überzeugt, dass diese Struktur auf lange Sicht ein erfolgreiches Konzept ist. Es schafft die nötige Ruhe zum Arbeiten, aber nur wenn der Fisch nicht vom Kopf her stinkt.«
    Der Vorstandsvorsitzende sah Schyman mit einem Gesichtsausdruck an, der, wie der Redaktionsleiter hoffte, nicht Misstrauen, sondern Einsicht ausdrückte. Die beiden Männer starrten sich an. Schließlich sah Herman Wennergren zu Boden, faltete seine Zeitung zusammen, schob sie sich wieder unter den Arm und ging zur Glastür. Er blieb direkt vor Anders Schyman stehen und sagte mit

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