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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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flüsterte sie so leise, dass Annika ihre Worte mehr ahnte als wirklich hörte. »Ja, das geht in Ordnung.«
    »Wie fühlen Sie sich jetzt?«
    Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. Aus Angst um die Wimperntusche tupfte sie sie mit den Zeigefingern weg.
    »Es ist so schrecklich«, wisperte sie. »Das ist das Schlimmste, was mir je passiert ist.«
    »Kannten Sie Michelle gut?«, fragte Bosse.
    Sie nickte, nestelte ein Taschentuch aus der Hosentasche und schnauzte sich.
    »Sie war meine beste Freundin.«
    Annika konnte sie kaum verstehen. Sie trat ein wenig näher, verzichtete aber darauf, sich vorzustellen, denn schließlich war das Verhältnis der Toten zum
Abendblatt
nicht gerade das beste gewesen.
    »Gibt es etwas Besonderes, das Sie gern über Michelle sagen möchten?«, fragte Annika leise.
    Die Frau sah Annika nicht an, sondern schien erst mal Anlauf zu nehmen.
    »Es gibt viele Leute, die heute mal in sich gehen sollten«, sagte sie schließlich und sah mit leerem Blick zu den Baumwipfeln hoch. Die große Kamera des staatlichen Fernsehens surrte, Bosse hatte seinen Kassettenrekorder herausgeholt, Bertil Strand stellte seine Linse scharf, und Annika betrachtete gespannt die junge Frau. »Michelle war ein durch und durch guter Mensch«, sagte Bambi Rosenberg, »und von denen gibt es nicht viele. Ich habe sie gekannt, ich weiß, dass es so war. Sie wollte Gutes tun, sie wollte die Welt verbessern. Sie fühlte Verantwortung für die jungen Frauen in Schweden, sie wollte ein Vorbild sein und ihnen zeigen, dass man allein mit seiner Begabung und dem nötigen Ehrgeiz nach oben kommen kann.«
    Sie hielt kurz inne und holte tief Luft. Annika fragte sich, wie lange sie wohl an dieser Rede geübt hatte.
    »Aber die Boshaftigkeit, von der sich Michelle in ihrem letzten Lebensjahr umgeben sah, war bodenlos«, fuhr sie fort und sah letzt einen nach dem anderen von ihnen an. Annika hatte das Gefühl, als würde sie bei ihr besonders lange verharren. Das Blut schoss ihr in die Wangen.
    »Der Neid und die Missgunst, die unter den schwedischen Journalisten herrschten, waren einfach vulgär, an der Grenze zum Ekelhaften. Sie haben alle Spaß daran gehabt, sie niederzumachen, Sie haben höhnisch gelacht, wenn sie scheiterte. Sie haben ihr alles Böse gewünscht, Sie wollten sie zerstören. Jetzt haben Sie bekommen, was Sie wollten.
    Zufrieden?«
    Das Letzte schrie sie hinaus, und dann konnten weder die Tränen zurückgehalten noch die Schminke gerettet werden.
    Mit Bächen schwarzer Farbe und Schatten auf den Wangen eilte Bambi Rosenberg zu ihrem roten Cabriolet, während die Journalisten unangenehm berührt und wie gelähmt dastanden.
    »Da hat sie nicht ganz Unrecht«, sagte Bosse, aber die Frau vom Fernsehen schnaubte nur.
    »Da wird einem doch gleich klar, warum Bambi Rosenberg niemals eine Rolle in einer seriösen Produktion bekommen wird«, sagte sie. Ihr Kameramann und ihr Tontechniker lachten.
    »Wie kommen Sie darauf, dass sie das will?«, hörte Annika sich fragen.
    Das Team vom Fernsehen schaute zu ihr. Die Reporterin war erst erstaunt, wandte sich dann aber verächtlich ab.
    »Wahrscheinlich gehen Sie auch davon aus, dass ich Ihren Job haben möchte«, sagte Annika, »nur weil Sie glauben, etwas Besseres zu sein. Wissen Sie was?«
    Die Reporterin drehte sich langsam wieder um und starrte Annika an, als würde sie ihren Ohren nicht trauen.
    »Bitte?«, fragte sie.
    »Dann doch lieber an der Kasse bei Ikea«, sagte Annika, nahm Block und Stift und ging zum Parkplatz, um Bambis kleine Rede niederzuschreiben.
    »Sehr geschickt«, hörte sie die Stimme von Bertil Strand hinter sich. »Musst du dich unbedingt in der ganzen Branche unmöglich machen?«
    »Hast du ein paar Bilder machen können?«, fragte Annika scharf. »Oder waren Ankündigung und Vorausplanung wieder zu schlecht?«
    »Was ist denn los mit dir?«, fragte der Fotograf mit kalter Stimme und vorwurfsvollem Blick.
    Annika sank auf die Mauer am Parkplatz.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie leise. Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals. »Es ist alles so schrecklich.«
    »Jetzt reiß dich mal zusammen«, sagte Bertil Strand.
    Anne Snapphane betrat den Konferenzraum. Er kam ihr kleiner vor als gestern, das Dach niedriger. Der Ü-Wagen stand immer noch am selben Platz vorm Fenster. Das Unbehagen überkam sie wieder, die Unsicherheit, die ebenso spürbar war wie Handschweiß.
    »Heute nicht mehr so durstig?«
    Kommissar Q hatte sich etwas anderes angezogen,

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