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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Verlassenheit weg.
    Das verzeihe ich dir nie.
    Sie zerknüllte den Plastikbecher und schnitt sich dabei an der Kante. Den Blick auf den Boden gerichtet, ging sie zurück zu ihrem Platz.
    Was sollte sie schreiben?
    Sie setzte sich mit Stift und Block hin und begann zu strukturieren.
    Ein vernünftiger Artikel musste natürlich Fakten über Michelles letzte Stunden enthalten.
    Annika seufzte. So wie die Dinge lagen, konnte man das kaum beschreiben, ohne die tote Frau zu diffamieren. Man musste sagen, dass sie stockbetrunken war, ihre Mitarbeiter angeschrien und halbnackt mit einem Revolver herumgefuchtelt hatte. Sie hatte die Kündigung bekommen, sich mit ihrem Manager zerstritten und jegliche Kontrolle verloren.
    Das musste alles irgendwie angedeutet werden, denn ihr Gefühl sagte ihr, dass es von Wichtigkeit war. Der Tod von Michelle Carlsson war ein öffentliches Ereignis, so wie ihr Leben auch öffentlich gewesen war. Es würden ganz sicher Nachrichten über die Skandale durchsickern. Selbst wenn die schwedischen Zeitungen es sich versagen würden, im Dreck zu wühlen, würden die englischen Blätter es doch auf jeden Fall tun, denn schließlich war John Essex in die Sache verwickelt.
    Annika machte sich ein paar Notizen und ging dann weiter.
    Der Streit. Die Schwierigkeiten im Team bei den Dreharbeiten. Das war leichter zu beschreiben.
    Das rätselhafte Auto, das zur ungefähren Tatzeit zum Schloss hinauffuhr, vermutlich um John Essex abzuholen.
    Das war auch leicht.
    Die Zeugen waren wieder frei, hatten aber die Auflage bekommen, nicht zu verreisen, falls weitere Verhöre erforderlich werden würden.
    Das war eine knifflige Geschichte. Sie kaute auf ihrem Stift und dachte nach.
    Das Einzige, worauf sie sich beziehen konnte, war Qs rätselhafter Satz über die Möglichkeit, dass es einer der Zeugen gewesen sein könnte.
    Das sagt gar nichts, dachte sie. Oder alles: Es kann einer von ihnen gewesen sein oder auch nicht.
    »Bengtzon!«
    Sie zuckte zusammen und sah sich erstaunt um.
    Der Redaktionsleiter stand in der Tür zu seinem Glaskäfig und winkte ihr zu. Sie nahm ihren Block mit den verschiedenen Punkten und ging zu ihm.
    »Machen Sie die Tür hinter sich zu«, sagte Anders Schyman und setzte sich auf seinen knarrenden Stuhl.
    Annika sah ihn an. Ihr Chef sah erhitzt und angestrengt aus.
    Sein Hemdkragen hatte Flecken, die Augen waren gerötet.
    »Ich habe noch nicht alles Material mit Berit durchgesprochen«, sagte sie, »aber ich habe versucht, das zu strukturieren, was ich habe und was wir …«
    »Das müssen Sie mit dem Desk klären«, unterbrach Schyman sie. Seine Stimme war dumpf vor Müdigkeit.
    Sie wollte gerade eine erklärende Geste machen, hielt aber inne. Der Redaktionsleiter saß zusammengesunken mit den Händen vor dem Gesicht da.
    »Ist was passiert?«
    Schyman beugte sich rasch vor und ließ die Unterarme mit einem Knall auf die Schreibtischplatte fallen.
    »Arbeiten Sie Anfang nächster Woche?«, fragte er.
    Annika zögerte, sie war verunsichert.
    »Wieso?«
    »Sie haben das ganze Mittsommerwochenende gearbeitet, wann wollten Sie das abfeiern?«
    »Sobald ich kann. Es wird eine ganze Woche werden.«
    Der Redaktionschef winkte abwehrend mit der einen Hand und strich sich mit der anderen über die Stirn.
    »Vielleicht brauche ich am Montag Ihre Hilfe in einer ziemlich heiklen Angelegenheit. Sie dürfen aber mit niemanden in der Redaktion darüber sprechen, nicht einmal mit Berit.«
    Sie war verblüfft und musste sich setzen.
    »Worum geht es denn?«, fragte sie und lehnte sich vor.
    Annika sah ihren Chef an und versuchte zu erkennen, was er hinter seinem Bart und den hellen Augen verbarg.
    »Was sind denn das für Tipps? Wissen nicht mal die Nachrichtenchefs davon?«
    »Es sind keine Tipps«, sagte Schyman. »Es geht um eine rein private Sache, bei der ich etwas Hilfe brauche.«
    Annika lehnte sich wieder zurück. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
    »Ich hoffe, dass ich noch eine Familie habe, wenn ich aus dieser Sache hier rauskomme«, sagte sie. »Und wenn ich jetzt für Sie persönlich Überstunden machen soll, dann könnten Sie das vielleicht …«
    »Vergessen Sie’s«, sagte er schnell. »Ich kriege es schon irgendwie hin. Gehen Sie nur und schreiben Sie Ihre Artikel.«
    Er beugte sich über seine Papiere und bedeutete ihr, dass das Gespräch beendet war. Annika sah ihren Chef an. Er sah gestresst aus, hatte dunkle Ringe unter den Augen und Schweißränder unter den Armen. Er

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