Prime Time
dahin?«
»Weil ich die Waffe angefasst habe, ist doch klar. Aber das haben fast alle anderen auch. Ich war es aber nicht, falls du das denkst.«
»Natürlich habe ich das nicht gedacht«, erwiderte Annika.
Sie erreichten Bäckåsen und bogen nach rechts Richtung Malmköping ab.
»Es waren anscheinend ziemlich anstrengende Dreharbeiten.«
Anne Snapphane schluckte.
»Aufnahmeleitung und Recherche«, sagte sie. »Das ist doch erniedrigend. Ich hätte vor dieser Aufnahme befördert werden sollen, stattdessen hat man mich degradiert.«
»Aber ich weiß doch, warum sie das gemacht haben«, sagte Annika. »Es hatte nichts mit dir zu tun, sondern mit den Kürzungen.«
»Ich war jahrelang Redakteurin. Der nächste Karriereschritt wäre Produzentin gewesen und nicht Aufnahmeleiterin. Ich hätte im Frühjahr kündigen sollen. Und jetzt rate mal, was ich den Rest der Woche machen soll. Die Bänder markieren, die Timecodes eintragen, sie beschriften und solchen Kram. Die haben doch eine Meise. Ein Glück, dass der Scheiß beschlagnahmt worden ist.«
»Ich brauche was Süßes«, konstatierte Annika. »Du auch?«
Sie gingen in Malmköping in die Tankstelle, kauften Zeitungen, Cola und ein halbes Kilo Bonbons.
»Glaubst du, dass sie die Sachen senden werden?«, fragte Annika, als sie wieder auf der Straße nach Strängnäs waren.
»Also, davon gehe ich aus«, meinte Anne und kaute wie.
verrückt auf einem kandierten Karamellbonbon herum.
»Nicht in hundert Jahren wird sich TV-Plus diesen Gewinn entgehen lassen. Was hat denn der Highlander gesagt?«
»Dass er mit der Konzernleitung in London besprechen muss, wie man Michelles Andenken bewahren kann, ihr Vermächtnis für die kommenden Generationen und jede Menge in der Art.«
Anne stöhnte laut und strich sich übers Haar.
»Dieser Dummschwätzer. Hat er ›besprechen‹ gesagt? Er ist doch nur ein Megafon, der darf doch keinen Furz lassen, ohne London vorher zu fragen. Wusstest du übrigens, dass er sie am Abend vor ihrem Tod rausgeworfen hat?«
Annika fuhr zusammen und starrte Anne an.
»Sie ist rausgeschmissen worden?«
Die beiden rechten Räder kamen von der Fahrbahn ab, und sie musste das Steuer herumreißen, um den Wagen wieder auf die Straße zu lenken.
»Reg dich ab. Sie war einfach zu alt, schließlich ist sie am Montag vierunddreißig geworden.«
Annika nahm, erschrocken über die Nähe zum Straßengraben, den Fuß vom Gas.
»Das ist ja ein Heuchler! ›Unsere beste Mitarbeiterin, verdammte Scheiße! Kann ich das schreiben?«
»Nicht unter Berufung auf mich, ich habe es auch von jemand anders. Aber versuch doch mal, ob du es von anderer Seite bestätigt bekommst.«
Sie saßen schweigend nebeneinander, Annika hielt das Lenkrad fest mit beiden Händen umklammert, die Colaflasche wie einen eiskalten aufrecht stehenden Penis zwischen den Schenkeln. Das schräg einfallende Licht der untergehenden Sonne flimmerte zwischen den Baumwipfeln und blendete sie. Sie schob die Sonnenblende vor das Seitenfenster und sah zu ihrer Freundin. Annes Augen waren auf die Landschaft gerichtet, sahen aber nach innen. Annika ahnte, was für ein Film jetzt vor ihr ablief.
»Mariana hat von einem Dokumentarfilm geredet«, sagte sie leise, »dass Michelle dabei gewesen sei, einen Film über sich selbst zu drehen, der von ihrer eigenen Firma produziert werden sollte. Weißt du was davon?«
Anne Snapphane blinzelte ein paar Mal.
»Das war die ganze Woche über der große Stein des Anstoßes. Die meisten fanden, jetzt habe sie die letzte Grenze zur Selbstherrlichkeit überschritten. Jeder hätte einen Dokumentarfilm über Michelle Carlsson drehen können, nur nicht sie selbst. Ein paar Leute waren anderer Meinung, aber es waren nicht viele. Sebastian Follin natürlich und Bambi.
Warum sollte eine bekannte Persönlichkeit ihre Berühmtheit nicht ausnutzen? Warum sollen immer nur alle anderen von der Berühmtheit profitieren?«
»Und was ist deine Meinung?«, fragte Annika und sah mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne.
Anne wühlte in der Bonbontüte und musste sich zwischen Lakritzheringen und Colaschnullern entscheiden.
»Also, eine Hommage an sich selbst zu drehen ist schon ziemlich komisch«, sagte sie. »Journalistisch betrachtet hat so eine Sache nicht die geringste Glaubwürdigkeit.«
»Wollte sie den Film wirklich selbst machen?«, fragte Annika. »Oder wäre er nur von ihrer Firma produziert worden, aber mit einem unabhängigen Produzenten?«
Anne steckte
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