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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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die Arbeit der Münzer nicht behinderte. Er war auf einer Seite ungefähr vierzig Fuß lang, aufgeteilt in mehrere Nischen, eine kleine Kammer, die mit dem Inneren des Brick Tower und daher mit dem Inner Ward verbunden war, und ein einziges großes Labor-Arbeitszimmer, von dem aus man diesen Teil der Mint Street sowohl in beiden Längsrichtungen als auch in der Breite überblicken konnte. Eine scharlachrote Spätnachmittagssonne lugte zwischen aufgerissenen Wolken im Nordwesten hindurch und ließ Whites linke Wange und Schulter erglühen, aber nur weil sie sich hier hoch über dem Erdboden befanden; unter ihnen war die Mint Street bereits in Dämmerlicht getaucht, da sie im Schatten der düsteren Reihe von Kasematten lag, die die ihnen zugewandte Seite der äußeren Mauer säumte. Die gegenüber von Newtons Labor etwas rechts gelegene Kasematte war zugleich die beste und die schlimmste von allen. In der letzten Zeit hatte ihre einzige praktische Funktion darin bestanden, das Gewölbe zu beherbergen, in dem die Pyx aufbewahrt wurde. Deshalb war sie rund um die Uhr von Männern bewacht worden, die sich als Queen’s und neuerdings King’s Messengers auswiesen. Was bedeutete, dass sie Silberner-Windhund-Abzeichen trugen und Papierstücke mit Unterschrift und Siegel von Charles White bei sich hatten.
    Diesen Blick auf das Gebäude – mit anderen Worten, Sir Isaac Newtons Blick – hatte Charles White nie genießen dürfen, bis die Wächter ihn vor ein paar Minuten mit nach hinten gedrehten Armen in das Labor geführt hatten. Jetzt verhehlte er nicht, dass er hocherfreut war über das Bild, das die handverlesenen Messengers abgaben, die als eine gut gekleidete und schwer bewaffnete Barriere zwischen Newton und seinem magischen Kasten standen. Als die Männer White, von der Sonne beleuchtet, oben in dem Fenster erspähten, fingen sie an, ihn hochleben zu lassen, wobei sie vielleicht gar nicht merkten, dass er verhaftet war, und zwar unter einer wirklich schwerwiegenden Beschuldigung -
    »Hochverrat«, sagte Newton gerade. Er saß an einem großen Tisch, der vom vielen Gebrauch schwarz geworden war. Er trug immer noch den karmesinroten Ornat, den er morgens zu den Krönungsfeierlichkeiten angelegt hatte. »Ein anderes Wort fällt mir nicht ein, um zu beschreiben, wessen Ihr beschuldigt werdet.«
    » Beschuldigt?! «, fragte White munter, riss sich nun endlich vom Fenster los und drehte sich zu Newton um. Der Sonnenuntergang erfüllte das Laboratorium wie ein strahlendes Gas und ließ alle matten Gegenstände wie den Tisch und die verblichenen Balken der niedrigen Decke noch düsterer erscheinen, als sie waren. Alles, was auch nur ein Quäntchen Glanz oder Farbe besaß, leuchtete dagegen aus dem Dunkel heraus wie farbige Sterne: Newtons Ornat, die Bändchen zwischen den Seiten seiner dicken, abgestoßenen, alten Bücher, das Messing und Gold seiner vielen Waagschalen und Waagen, hier und da aufgestapelte Gold- und Silberproben. »Wer hat mich beschuldigt?«
    »Jack Shaftoe.«
    »Ich nehme an, das hat nichts damit zu tun, dass Ihr ihm dreihundert Pfund Blei auf die Brust gelegt habt?«
    »Das glaube ich nicht«, antwortete Newton, »denn ich glaube, dass Ihr wirklich schuldig seid. Ich gebe aber zu, dass ein geschickter Anwalt ins Feld führen könnte, Jack Shaftoe sei ohnehin ein unglaubwürdiger Zeuge, um wie viel mehr aber unter der Tortur der peine forte et dure .«
    Nun schien White zum ersten Mal sprachlos zu sein. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Isaac Newton ihm dabei behilflich wäre, seine Verteidigung vor Gericht aufzubauen. »Euch kümmert nicht, was mit Jack passiert – ob ihm geglaubt wird oder nicht!«, versuchte es White.
    »Mich kümmert nicht, ob er Eure Marionette war oder Ihr seine oder Ihr beide die von de Gex.«
    »Aber Ihr müsst beweisen, dass die Pyx von jemandem manipuliert wurde, damit Ihr nicht für das verantwortlich gemacht werdet, was man darin findet. Und Jacks Aussage wird vielleicht nicht als glaubwürdig genug betrachtet, um das zweifelsfrei zu beweisen. Dazu braucht Ihr mein Wort.«
    »In Eurer neuen Unterkunft werdet Ihr hinlänglich Zeit haben, diese oder andere Theorien zu entwickeln«, sagte Newton, worauf er unvermittelt aufstand und den Beefeatern zunickte. Er hatte unten irgendeine Art von Tumult vernommen und wollte nachschauen gehen. White ebenfalls, aber auf ein Zeichen von Newton hin ergriffen die Yeomen den Gefangenen und hielten ihn fest, ehe er Newton oder

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