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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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übernommen. Sie lebten in einem großen, behäbigen Bauernhaus von
beträchtlichem Alter. In den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts hatte dann
der Großvater des verstorbenen Majors plötzlich die Idee, das Haus «zeitgemäß»
umzubauen. Seitdem verschandelte ein Wintergarten mit Flachdach die Südseite,
und der Eingang wurde von einem abscheulichen Vorbau aus Aluminium geschützt.
    Miss Petrie Coombe-Hamilton
wartete schon auf ihn. Sie war eine lebhafte Frau Anfang Sechzig, zweckmäßig
gekleidet in eine wattierte Jacke und einen Wollrock. Das gewisse herrische
Auftreten gegenüber gewöhnlichen Menschen hatte sie vermutlich von ihrem Vater
geerbt. «Ich habe gerade eine Menge alter Papiere aussortiert. Wenn Sie sie
bitte nach unten schaffen würden, bevor wir zu unserem Rundgang aufbrechen. Die
Müllabfuhr kommt heute noch vorbei.»
    Mr. Pringle blickte auf das
gute Dutzend schwarzer Plastiksäcke, von denen jeder mindestens eine Tonne
wiegen mußte. «Nein, tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht helfen.» Mr. Pringle
fand, es reichte, daß ihm durch die Schuld des Majors jetzt sein Nacken
schmerzte, da mußte er sich nicht noch im Dienst der Tochter den Rücken kaputtmachen.
«Sie haben doch sicher Personal...»
    «Personal? Wo haben Sie in den
letzten fünfzig Jahren gelebt? Oder kommen Sie gerade aus Übersee?»
    «Nein, nur aus London.» Mr.
Pringle folgte den stämmigen Beinen die Eingangstreppe hinauf und stand gleich darauf
in einem richtigen Flur.
    «Was führt Sie nach Wuffinge?»
wollte sie wissen.
    «Ich habe früher einmal hier
gelebt.»
    Sie musterte ihn genauer. «Aber
ja, natürlich, Sie sind der Mann, der Daddys Beerdigung durcheinandergebracht
hat. Und der Bruder von Enid.»
    «Waren Sie mit Enid zusammen in
einer Klasse?»
    «Nein, um Himmels willen. Ich
hatte selbstverständlich eine Erzieherin. Aber Mummy erlaubte Enid
gelegentlich, zu uns zu kommen und mit mir zu spielen. Enid war akzeptabel.»
Mr. Pringle hatte das Gefühl, daß sie erwartete, er solle sich im Namen seiner
Schwester noch nachträglich dankbar zeigen für diese Ehre. Er schwieg. «Am
besten beginnen wir mit den Bodenkammern», verkündete Miss Coombe-Hamilton.
«Hat der Makler Ihnen gegenüber das Dach erwähnt?»
    «In der Broschüre steht...
Moment...» Er begann vorzulesen: «Das Dach bedarf der Wartung.» Sie stieß ein
wieherndes Lachen aus.
    «So kann man es auch sagen.
Noch ein Stockwerk, kommen Sie, bleiben Sie nicht stehen.» Die Treppe war
gefährlich steil. Nur Dienstboten konnte man so etwas zumuten, dachte Mr.
Pringle. Kaum war er oben angelangt, öffnete sie die Tür zu einer der Kammern.
Mehrere Dutzend Tauben flatterten erschreckt auf und flogen, hektisch mit den
Flügeln schlagend, durch die zahlreichen Löcher im Dach nach draußen.
    «Daddy hat das ganze Stockwerk
hier einfach dichtgemacht. Im vergangenen Jahr wollte er das Dach eigentlich
reparieren lassen, aber dann hat er den Kostenvoranschlag bekommen: Es sollte
20 000 Pfund kosten. Das hätte seinem schwachen Herzen um ein Haar den Rest
gegeben, aber dann hat er sich doch noch einmal berappelt.» Sie seufzte. «Ich
mußte es noch weitere acht Monate mit ihm aushalten. Und wie ist das mit Ihnen?
Hätten Sie die 20 000 Pfund für die Dachreparatur?»
    «Nein», sagte Mr. Pringle entschieden.
    «Dann werden Sie wohl auch die
Bodenräume geschlossen lassen müssen», sagte sie.
    Sie stiegen wieder hinunter.
Während sie ihm im ersten Stockwerk eine Reihe eiskalter Schlafzimmer
präsentierte, fiel ihm plötzlich ein, daß er etwas vergessen hatte.
Unverzeihlich! «Darf ich Ihnen zum Tod Ihres Vaters mein herzliches...» Sie hob
abwehrend die Hand. «Bitte keine Beileidsbekundung. Das Leben mit Daddy war
einfach gräßlich. Ich bin so dankbar, daß er tot ist.» Mr. Pringle fand soviel
Ehrlichkeit doch ein wenig irritierend.
    «Dies hier war übrigens sein
Zimmer.» Es war sorgfältig aufgeräumt, Schränke und Schubladen waren bereits
geleert.
    «Haben Sie denn schon Pläne für
Ihr weiteres Leben?» fragte er.
    «Aber ja! Ich werde mir ein
Wohnmobil kaufen und in Beccles aufstellen. Ein wirklich reizender Ort. Mein
neues Heim wird zwar nur klein sein, aber dafür gut sauberzuhalten und vor
allem — warm.» Sie ging ihm voran ins nächste Zimmer. «Hier wohne ich.» Es war
ein verhältnismäßig großer Raum, mit zwei Schiebefenstern, deren Rahmen sehr
verzogen aussah. Die schlossen bestimmt nicht mehr dicht, dachte Mr. Pringle.
In einer Ecke stand ein

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