Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
Vom Netzwerk:
kleiner Paraffin-Ofen, der den Raum jedoch nur
ungenügend heizte. Unvermittelt schien sich Miss Petrie Coombe-Hamilton zu entsinnen,
daß sie in Mr. Pringle einen potentiellen Käufer vor sich hatte. «Ein hübscher
Raum, finden Sie nicht? Die Tapete hat meine Mutter noch ausgesucht. Kurz vor
dem Krieg.» Das sah man, dachte Mr. Pringle. Das Muster war in fünf Jahrzehnten
fast zur Unkenntlichkeit verblichen.
    Ergeben trottete er hinter ihr
durch diverse Salons und Wohnzimmer, das Arbeitszimmer des Majors, das
Speisezimmer, das groß genug war, um ganz Balmoral mitsamt dem En-Suite
aufzunehmen, besichtigte einen Raum, in dem vor dem Servieren die Speisen
angerichtet worden waren, staunte über die riesige Küche und ließ sich auch
noch die beiden Nebengelasse erklären, in denen früher gebuttert bzw. Schnaps
gebrannt worden war. Bis auf das Arbeitszimmer sahen alle Räume sehr verwohnt
aus. Auf dem Schreibtisch des Majors hatte er mehrere Stapel Papiere liegen
sehen, so als ob dieser vor seinem Tod noch die Absicht gehabt hätte, seine
Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Auf der Lehne seines Sessels direkt vor
dem Kamin lag ein Buch, noch aufgeschlagen, so wie es sein Besitzer dort
zurückgelassen hatte. Mr. Pringle blätterte ein wenig darin herum und
betrachtete gedankenverloren Bilder von Nagern und anderen kleinen Säugetieren.
    «Ich habe gehört, Ihr Vater
starb infolge eines Streits», begann er. Sie zuckte mit den Achseln.
    «Na ja, irgendwie schon... Er
ist wie jeden Abend im Pub gewesen, um sich ein paar Drinks zu ergaunern, und
dann hat es zwischen ihm und der Kenny wohl Krach gegeben. An die Einzelheiten
kann sich keiner mehr erinnern, es wird wohl um irgendeine Bagatelle gegangen
sein. Daddy war vermutlich schon ziemlich betrunken. Das ging bei ihm immer
sehr schnell. Irgendwann verließ er dann den Pub, und alle nahmen natürlich an,
er ginge nach Hause.»
    «Aber das tat er nicht?»
    «Nein, offenbar nicht. Am
anderen Morgen fand man ihn auf dem Weg unter der Autobahnbrücke. Aber jetzt
müssen Sie sich noch den Wintergarten ansehen. Da hat er seine ganzen
Sportsachen aufbewahrt. Das Dach dort ist leider ebenfalls undicht.»
    Der Major hatte offenbar im
Laufe der Jahre an verschiedenen Sportarten Vergnügen gefunden: Cricket,
Crocket, Golf und ßowls. Ein unangenehm modriger Geruch nach verfaulendem Holz
hing in der Luft. Miss Coombe-Hamilton streifte das Durcheinander mit einem
abschätzigen Blick. «Sie glauben gar nicht, wie froh ich bin, daß das Zeug
jetzt endlich auf den Müll kommt. Übrigens, Daddy wurde dann natürlich von der
Polizei hierher zurückgebracht. Ich war gerade nach unten gekommen, um
Frühstück zu machen, da standen sie plötzlich mit ihm vor der Tür.»
    «Das war sicher ein
schmerzlicher Schock für Sie», bemerkte Mr. Pringle mitfühlend.
    «Ach, das will ich nicht
sagen», antwortete sie freimütig. «Ich war eigentlich nur überrascht, weil ich
annahm, er sei noch oben in seinem Zimmer und schlafe.» Mr. Pringle hatte den
Eindruck, daß seine Neugier sie kaum verletzen würde.
    «Ordnete man... ich meine, gab
es eine gerichtliche Untersuchung?»
    «Aber nein. Warum denn auch? Er
starb ja eines natürlichen Todes. Sein erhöhter Blutdruck zusammen mit seinem
Jähzorn führten zu einem Herzanfall. Unser Arzt hatte schon seit Jahren
befürchtet, daß so etwas passieren würde, und, um ganz offen zu sein, ich habe
heimlich darum gebetet. Er tat mir natürlich schon leid, daß er die ganze Nacht
draußen gelegen hat, aber die Ratten haben ihn ja zum Glück nicht angenagt.»
    «Ratten?!»
    «Aber ja. Das Dorf wimmelt nur
so davon. Hat Ihnen das keiner gesagt?»
    Mr. Pringle schauderte. Ratten!
Und nicht etwa von der Art des lieben alten Ratty aus dem Kinderbuch, sondern
quicklebendige, gräßliche Biester, die in ihrem Fell verseuchte Flöhe mit sich
herumschleppten. Beim Verlassen des Hauses war er versucht, sich seine
Hosenbeine in die Socken zu stopfen. Statt dessen hielt er sich auf der Mitte
des Weges und wäre so fast auf einen plattgefahrenen Igel getreten.
    Im Zelt summte es geradezu vor
emsiger Geschäftigkeit. Die ersten Kunsthandwerker waren eingetroffen, um ihre
Stände aufzubauen, und Miranda Kenny erteilte durch ein Megaphon unablässig
neue Befehle.
    Mr. Pringle war müde, und sein
Nacken begann wieder zu schmerzen. Und dann hatte er auch noch den Frauen
versprochen, ihnen gleich Bericht zu erstatten! Doch in der Kirche traf er nur
noch Doris Leveret und den

Weitere Kostenlose Bücher