Pringle vermisst eine Leiche
Schlafzimmer waren nur durch eine Falttür
aus Plastik voneinander getrennt. Mavis und er waren in einem französischen
Hotel einmal auf ein ähnliches Arrangement gestoßen. Er hatte im Laufe der
Nacht dreimal aufstehen müssen, und Mavis war jedesmal, wenn gleich hinter
ihrem Kopf die Wasserspülung aufrauschte, mit einem Schreckensschrei in die
Höhe gefahren. «Flüsterrosa», sagte Joyce in einem Ton, als teile sie ihm ein
Geheimnis mit, «und das Familienbad ist in Libidoblau gehalten.»
«Und wo liegt das Familienbad?»
Wenn es so weit entfernt war wie das Bad im Hope & Anchor... aber das war ja wohl kaum möglich. Sie begann, ihm die Besonderheiten des
Familienbades aufzuzählen.
«Also in diesem Monat gehören
zur Standardausrüstung eine pulsierende Dusche, eine Whirlpoolwanne und ein
Home-Trainer.» Sie sah seinen skeptischen Blick und ergänzte eilig: «Statt des
Home-Trainers können Sie auch eine feuerfeste Tür zur Garage haben, das ist
unsere Alternative, die wir anbieten.»
Sie setzten sich nebeneinander
auf das schmale Sofa, um den Kaffee zu trinken, der inzwischen durch den Filter
gelaufen war. Während sie sich unterhielten, wanderte Mr. Pringles Blick immer
wieder hinüber zu dem Sessel mit dem Strickzeug. Schließlich deutete er darauf
und fragte: «Was macht das eigentlich hier?»
«Das ist unser ‹heimeliges
Element›», erklärte sie ernsthaft. «Das haben wir in jedem der Räume.»
«Tatsächlich? Das ist mir ganz
entgangen.»
«Ja doch. In der Küche ist es
zum Beispiel der Brotlaib aus Plastik. Ganz zu Anfang hatten wir ein echtes
Vollkornbrot dort liegen, aber das wurde uns zu schnell schimmelig. Über den
Tennisschläger im Kinderzimmer sind Sie ja vorhin selbst gestolpert, und dann
im Bad die geblümte Duschhaube und das Negligé...»
«Ja, die sind mir aufgefallen.
Ich muß allerdings zugeben, daß mir ihre tatsächliche Bedeutung nicht klar
war.»
«Und schließlich noch in der
Garage die aus Pappe gefertigte Seitenansicht des Ford Fiesta.»
«Ah...»
«Und was halten Sie nun von Balmoral ?»
Er würde sie enttäuschen
müssen. Das Haus war doch ganz offensichtlich für einen jungen aufstrebenden
Manager, seine schmalhüftige Frau und die beiden unvermeidlichen, vermutlich ziemlich
gestörten Kinder geplant.
«Ich fürchte, ich werde mich
einer Wohnidee, wie Balmoral sie verkörpert, nicht mehr anpassen
können», sagte er und staunte selbst, wie geläufig ihm diese Art Sprache von
den Lippen kam. «In meinem Alter hat man ziemlich feste Gewohnheiten und
Vorlieben. Vielleicht können Sie mir auch ein etwas älteres Haus anbieten.»
Sie schien kein bißchen
verärgert, sondern zog zu seiner Überraschung sofort eine Handvoll dünner
Broschüren aus der Tasche. Wie es schien, stand halb Wuffinge Parva zum
Verkauf. Auf dem Titelblatt des obersten Heftchens war ein Anwesen abgebildet,
das ihm bekannt vorkam. «Ist das nicht das Haus der Familie Petrie
Coombe-Hamilton?»
«Ja, das stimmt. Waren Sie mal
drin?»
Er schüttelte den Kopf. «Nein,
meine Großmutter verkehrte nicht in solchen Kreisen.»
Joyce vergaß, daß sie
eigentlich eine mit allen Wassern gewaschene Immobilienmaklerin war. «Würden
Sie mir einen Gefallen tun und dorthin gehen?» bat sie aufgeregt. «Keiner von
uns hat das Haus je von innen gesehen. Der Major pflegte keinen
gesellschaftlichen Umgang mit den Leuten aus dem Dorf hier, und seine Tochter
genausowenig. Wir alle hier brennen geradezu darauf zu erfahren, wie sie
eingerichtet sind.» Mr. Pringle entsann sich wieder, daß der Major schon damals
durch seinen Dünkel aufgefallen war.
«Seine Tochter hat das Haus
noch am selben Tag, an dem er starb, zum Verkauf angeboten.»
«Das sieht aus, als hätte sie
es sehr eilig», bemerkte Mr. Pringle.
«Den Eindruck hatten wir auch.»
Joyce holte ihr Telefonbüchlein hervor und suchte nach der Nummer der Familie
Petrie Coombe-Hamilton. «Ich vereinbare gleich einen Termin für Sie,
einverstanden?»
«Aber das Haus ist doch viel zu
groß für mich», protestierte Mr. Pringle.
«Sie sollen ja auch nur
hingehen und es sich ansehen», sagte sie. «Und wenn Sie zurückkommen, dann
erzählen Sie, wie es da drinnen aussieht. Sie finden uns alle in der Kirche.
Wir bringen heute den Wandschmuck an.»
Miss Petrie Coombe-Hamilton war
zu Hause und konnte eine Viertelstunde für Mr. Pringle erübrigen.
«Ich glaube, es ist besser,
wenn ich Sie vorher warne», sagte Joyce fröhlich. «Miss Coombe-Hamilton kann
sehr
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