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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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unterbringen konnte, machte ihm plötzlich bewußt, daß
ihm zu warm war. Die Zentralheizung lief offenbar auf vollen Touren. Vielleicht
sollte er seinen Regenmantel besser ausziehen.
    «Darf ich...?»
    «Aber natürlich. Sie können ihn
in die Garderobe hängen. Hier hinein.» Joyce öffnete eine Tür. Dahinter lag ein
winziger Raum mit einem Haken an der Wand und einem gelben Becken. «Modell Sonnenkönig», murmelte sie und machte eine einladende Handbewegung.
    «Das sieht ja wie ein Urinal
aus», sagte Mr. Pringle verblüfft.
    Joyce schüttelte den Kopf. «Das
ist das Fingerwaschbecken. Es gehört bei allen unseren Garderoben zur
Standardausrüstung. Sind Sie einverstanden, wenn ich Ihnen jetzt die Küche
zeige?»
    Wie hatte er es nur so lange
ohne eine Mikrowelle ausgehalten? Joyce plapperte in einem fort von
‹ventilatorverstärkt› und ‹Halogen›, ‹Waschzyklen› und ‹Umdrehungszahlen› und
lobte schließlich in höchsten Tönen einen sogenannten Instant-Gefrier-Schalter,
während Mr. Pringle die ganze Zeit über noch mit der Frage beschäftigt war, wo
er seine Überschuhe würde verstauen können.
    «Und hier haben wir das
kombinierte Wohn-/Eßzimmer», sagte sie in betont munterem Ton.
    «Mit einer Treppe?»
    «Die führt in den ersten
Stock», erklärte sie bestimmt. Wohin auch sonst, dachte er. Er war inzwischen
ein wenig genervt.
    «Warum steht denn der Eßtisch
unter dem Treppenabsatz?» wollte er von ihr wissen.
    «Aus Gründen der
Zweckmäßigkeit», sagte Joyce. Mr. Pringle hatte den Eindruck, als sei sie etwas
gereizt. «So bleibt er außer Sicht, solange er nicht gebraucht wird.»
    «Ich würde gerne wissen, wie es
aussieht, wenn er im Zimmer steht.» Joyce warf einen ungeduldigen Blick auf die
Uhr, aber Mr. Pringle ließ sich nicht beirren. «Ich kann ihn ja mal
hervorholen.»
    «Vorsicht!» Der runde Tisch war
komplett gedeckt mit Damastdecke, Kerzenleuchtern, Silberbesteck, kristallenen
Gläsern und teurem Geschirr. Mr. Pringle begann, ihn vorsichtig unter der
Treppe hervorzuziehen.
    «Und wenn wir jetzt noch die
Stühle richtig drumherumstellen könnten...» Es waren Klappstühle. Nachdem Mr.
Pringle alle vier aufgestellt hatte, trat er einen Schritt zurück. «Aber jetzt
kommt man ja gar nicht mehr in die Küche», rief er entgeistert.
    «Die Gastgeberin würde
natürlich hier oben sitzen mit dem Rücken zur offenen Tür», erklärte Joyce
kühl. «Wenn sie in die Küche will, braucht sie bloß aufzustehen und
hineinzuschlüpfen.» Mr. Pringle dachte an Mrs. Bignells ausladende Hüften, die
er so gerne umschlang, und bezweifelte, wenn er sich so die schmale Tür
betrachtete, daß sie in die Küche «hineinschlüpfen» würde. Sie würde sich wohl
eher hinein zwängen müssen. Einigermaßen ernüchtert wandte er seine
Aufmerksamkeit dem Teil des Raumes zu, der wohl das Wohnzimmer darstellen
sollte.
    «Warum sind die Möbel hier so
klein?» wollte er wissen.
    «Nicht klein, kompakt. Und zwar
aus Gründen der Bequemlichkeit. Wer will schon den ganzen Tag mit Staubputzen
und Staubsaugen zubringen.» Fünf Minuten mit dem Teppichkehrer würden hier
völlig ausreichen, dachte Mr. Pringle. Stirnrunzelnd nahm er zur Kenntnis, daß
man offenbar jedesmal das Sofa verrücken mußte, wenn man die Tür zur Terrasse
öffnen wollte. Joyce war seinem Blick gefolgt. «Ach, Sie haben den Grill
draußen entdeckt? Der gehört bei den Balmorals dazu, bei den Windsors und den Sandringbams ist er ein Extra.»
    Was machte denn eigentlich das
Strickzeug da im Sessel, überlegte Mr. Pringle. Es irritierte ihn, denn es sah
angestaubt aus, so als ob es schon eine Ewigkeit dort läge.
    Um sich abzulenken, blickte er
zur Decke, aber auch hier erlebte er eine Überraschung. Das gesprenkelte Muster
machte auf ihn den Eindruck, als sei ein Wellensittich mit Vogelleim unter den
Füßen darübergelaufen.
    «Ein spezielles Verfahren, die
Decken interessanter zu gestalten», erläuterte Joyce. Mr. Pringle fand seine
schlichten weißen Decken zu Hause, die lediglich von einer Stuckrose in der
Mitte geziert wurden, eindeutig schöner.
    Er folgte ihr die Treppe hinauf
in den ersten Stock. Oben angelangt, präsentierte sie ihren letzten Trumpf.
«Und hier das En-Suite.»
    «Das was ?»
    «Es schließt sich gleich ans
Elternschlafzimmer an.» Mr. Pringle konnte kaum glauben, was er sah: ein gekachelter
Besenschrank mit einem Toilettenbecken, das nur einen Meter vom Kopfende des
Doppelbettes entfernt stand. Bad und

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