Printenprinz
Sie waren in keinem Kölner Karnevalistenstammtisch Mitglied und hatten auch kein Management aus Köln. Trotz ihrer Qualität war bislang für sie in der Domstadt kein Platz gewesen. Die Sitzungsgestalter und Literaten der Gesellschaften pflegten unter der Hand die Übereinkunft, nur Karnevalisten aus dem Großraum Köln für Sitzungen im Großraum Köln zu verpflichten. Nach dem Selbstverständnis und der Selbstverherrlichung waren es nur Kölner Jecke wert, in Köln mit dem Karneval Geld zu verdienen. Und jetzt kam dieser Prinzenbewerber aus Aachen und wollte die Gesetze und Sitzungsregeln außer Kraft setzen!
Von Sybar ließ sich von der Auffassung der Funktionäre nicht beeindrucken. Entweder ganz oder gar nicht, erklärte er ihnen und erhöhte zugleich die Summe fürs Komitee. Es käme bestimmt nicht gut an, wenn die Öffentlichkeit erführe, dass der organisierte Kölner Karneval pleite sei und außerdem Sitzungsprogramme mit den Methoden eines Kartells zusammengestellt würden. Und schließlich, so drohte von Sybar, werde er dafür sorgen, dass keine einzige Kölner Gruppe jemals wieder einen Fuß in die Stadt und die Städteregion Aachen setzen würde. Er würde auch die Abzocke publik machen, mit der Kölner Karnevalisten in Aachen Kasse machen.
Wie die designierte Tollität zu dieser Behauptung kam, erschloss sich Böhnke nicht aus den Unterlagen. Aber offenbar reichte sie aus oder trug jedenfalls mit dazu bei, dass das Komitee klein beigab und vertraglich zusicherte, dass von von Sybar benannte Künstler bei seinen Auftritten als Prinz Pitter III. im Sitzungsprogramm angemessen zu berücksichtigen seien.
Im weiteren Verlauf seiner Akteneinsicht fand Böhnke Verträge von von Sybar mit den Künstlern, die ihn begleiten würden, einen ausgefeilten Terminplan, in dem jeder Auftritt minutiös aufgezeichnet war, und Absagen, die er an Künstler geschickt hatte, die gerne in seinem Tross mitgemacht hätten.
Auch gehörten zwei Drohbriefe zu den abgehefteten Unterlagen. Es sei eine Schande für den Kölner Karneval, dass er sich an einen Aachener verkaufe, hieß es in einem der anonymen Schreiben. In dem anderen beschwerte sich der Schreiber über die mangelnde Berücksichtigung der Kölner Künstler. ›Wir wollen keinen Aachener Schrott, wir wollen unsere Stars.‹ Es würde für von Sybar ein Spießroutenlauf werden, wenn er die Kölner Künstler derart beleidige. Das Publikum würde ihn und die ›Schrottis‹ ausbuhen.
Anscheinend war aber das Gegenteil der Fall. Wie Böhnke aus einigen Dankesbriefen von Karnevalspräsidenten herauslesen konnte, waren sie und auch die zahlenden Gäste von dem Auftritt von Prinz Pitter III. und seinen Begleitern bei den Vorstellungssitzungen restlos begeistert. Ein Briefschreiber hatte keinerlei Probleme, eine Lobeshymne auf von Sybar zu singen, obwohl er als Mitglied des Festkomitees noch massiv gegen die ›ungesunde und unverhältnismäßige Präsenz des Nicht-Kölner-Karnevals‹ geschimpft hatte. Die Veranstaltung sei dank von Sybars Truppe erfrischend, begeisternd, von einem bisher nur selten bekannten Niveau gewesen.
Die Kopie einer E-Mail, die Müller wenige Tage vor von Sybars Tod geschickt hatte, schloss diesen Teil der Unterlagen ab. Darin hatte Müller eine positive Zwischenbilanz der bisherigen Tätigkeit von Sybars als Prinz Pitter III. in Köln gezogen und sich noch einmal für dessen Engagement herzlich bedankt.
Das Postskriptum hatte wahrscheinlich nichts mit dem Karneval zu tun, sonst hätte Müller den Satz an anderer Stelle geschrieben: Das ›Problem Feilen‹ sei auch erledigt. ›Insofern schöne Grüße an Weinberg‹…
Von Sybar hatte wahrscheinlich gewusst, was Müller damit meinte. Für Böhnke blieb der Anhang eine offene Frage.
›De Printe kütt!‹ – die riesengroßen Lettern der Schlagzeile auf dem Titelblatt einer Kölner Boulevardzeitung fielen als Erstes ins Auge. Die Journalisten hatten den karnevalistischen Ruf ›D’r Prinz kütt!‹ auf die aktuelle Situation umgemünzt.
Beim Durchblättern der Kopien erkannte Böhnke leicht die unterschiedlichen Absichten in der Berichterstattung. Die Aachener Zeitungen zielten vornehmlich darauf ab, dass Peter von Sybar schon einmal Prinz Karneval in Aachen war und kommentierten süffisant die Kölner Misere, kein Dreigestirn aus ihren Reihen rekrutieren zu können.
Die Lokalzeitungen aus Köln mokierten sich zwar auch über diesen Umstand, für sie war es aber unverständlich, wieso
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