Printenprinz
Bauarbeiten am Autobahnkreuz unvorhergesehen Schwierigkeiten aufgetreten waren oder ob Jungen und Mädchen aus einem beliebigen Kindergarten der Region mit einer Reporterin zusammen Erbsensuppe kochten! Auch konnte er auf den Wetterbericht verzichten, der auch in den Folgetagen nasskaltes Novemberwetter versprach.
Endlich kehrte der Moderator zum Hauptthema zurück und kündigte einen Korrespondentenbericht an, der ebenfalls mit dem Satz begann: »Das Attentat auf den Printenfabrikanten Peter von Sybar ist aufgeklärt.« Mit Bildern aus der vergangenen Berichterstattung unterlegt, schilderte der Sprecher den Anschlag, bis es einen Schnitt gab und Böhnke ausgerechnet in eines der Gesichter blickte, das er am wenigsten mochte.
Sein Nachfolger Schulze-Meyerdieck strahlte in die Kamera, offensichtlich vor dem Polizeipräsidium in der Soers, und erklärte stolz seinen Ermittlungserfolg. Durch intensive Recherche sei die Kriminalpolizei auf einen Hilfsarbeiter des städtischen Bauhofes in Eschweiler gestoßen, der in unmittelbarer Nähe zu der Autobahnbrücke wohnte, von dem aus der Tatgegenstand auf die Fahrbahn geworfen worden war. Der Mann sei bereits vorbestraft, weil er schon zweimal Steine von Brücken auf fahrende Autos hatte fallen lassen. Auch habe er für die Tatnacht kein Alibi. Zwar habe er noch kein Geständnis im juristischen Sinne abgelegt, aber es sei nur eine Frage der Zeit.
Böhnke stutzte. Was meinte SM damit? Von einem derartigen Geständnis hatte er noch nie gehört. Er ahnte, dass die Polizei den Kerl so lange weich kochen würde, bis er das Geständnis unterschrieb.
Nach dem nächsten Schnitt erkannte Böhnke den Tatort bei Tageslicht. Auf den Anschlag deutete nichts mehr hin. Aus dem Hintergrund berichtete eine Stimme, der Festgenommene würde behaupten, Peter von Sybar nicht zu kennen. Wenn dies tatsächlich der Fall wäre, so vermutete der Sprecher, müsse man von einem Zufallsopfer sprechen. »Es hätte im Prinzip jeden Autofahrer treffen können, der um diese Uhrzeit auf der Autobahn zwischen Düren und Weisweiler unterwegs war.«
Erneut erschien SM auf dem Bildschirm. »Davon gehen wir aus«, ließ er sich mit ernster Stimme vernehmen. »Alle, die vermuten, das Attentat habe gezielt Peter von Sybar gegolten, irren sich. Abgesehen davon«, SM legte eine dramaturgische Pause ein; »lässt sich kein Motiv finden, das auf private, familiäre oder wirtschaftliche Hintergründe schließen lässt. Das Opfer hatte einfach das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.«
Der Reporter blendete erneut um und zeigte Archivfotos von von Sybar als Karnevalsprinz auf seinem Prinzenwagen beim Rosenmontagszug in Aachen, als Ehrengast gemeinsam mit seiner Frau bei der Verleihung des Karlspreises im Krönungssaal des historischen Rathauses, bei einer Siegerehrungen während des CHIO im Reitstadion in der Soers, bei der er an den Sieger eines Wettbewerbes den Ehrenpreis der Printenfabrik überreichte, und schließlich vor dem Eingang des Werkes, während er händeschüttelnd Gäste begrüßte. Dazu schilderte der Sprecher mit belegter Stimme einige Stationen aus dem Leben des Getöteten. Der Bericht endete mit der für Böhnke fast schon unverschämten Bemerkung, es möge der Familie ein Trost sein, dass der Täter so schnell gefasst werden konnte. Er würde jetzt mit einer hohen Haftstrafe für lange Zeit im Gefängnis landen.
9.
Das Telefonat mit Lieselotte hatte ihn ins Schwanken gebracht.
»Willst du weitermachen oder willst du deine Recherche beenden?«, hatte sie gefragt. »Was willst du denn noch herausfinden, wenn doch klar ist, das von Sybar schlicht und ergreifend nur Pech hatte und nicht gezielt Opfer eines ihm geltenden Mordanschlags wurde?«
Nachdenklich hatte er am nächsten Morgen seinen Spaziergang durch das fast winterliche Huppenbroich angetreten. In gewisser Weise hatte Lieselotte schon recht. Was wollte er eigentlich? Aber es war ja nicht der Mord, der ihn antrieb, sondern die Bitte des alten Firmenchefs. Doch was konnte er jetzt noch erreichen? Sein einziger möglicher Ansprechpartner aus dem Printenimperium war tot. Und der Alte machte anscheinend keinerlei Anstalten, seine ungewöhnliche Weltreise abzubrechen. Vielleicht wusste er immer noch nichts von dem Familiendrama, vielleicht … Böhnke hielt inne.
»Absurd. Das ist einfach absurd«, sagte er laut in die regennasse und windgequälte Waldlandlandschaft hinein, in der sich außer ihm niemand aufhielt. »Du glaubst doch
Weitere Kostenlose Bücher