Printenprinz
zurück nach Huppenbroich viel Zeit. Am kleinen Krankenhaus von Simmerath vorbei ging er in Richtung Tiefenbachtal. Der Gang über die asphaltierte schmale Straße, die wegen des nahenden Winters bereits für den Autoverkehr gesperrt war, gestaltete sich für ihn talabwärts schwieriger als der Aufstieg aus der Talsohle hinauf nach Huppenbroich. Der bereits in Winterschlaf versetzte Jugendzeltplatz der Pfadfinderschaft, direkt neben dem schmalen Bachlauf, weckte schlimme Erinnerungen. Hier wäre er beinahe einmal gestorben. Ausgerechnet ein Kollege, der zum Verbrecher geworden war, hatte ihn an diesem Ort ertränken wollen.
Böhnke begegnete niemandem auf seinem Spaziergang, das war er gewohnt. Die Berufstätigen und die Schüler waren aus Huppenbroich ausgeflogen. Wer nicht unbedingt musste, würde bei dem miesen, nasskalten Wetter nicht freiwillig das Haus verlassen. Die triste Natur mit den blattlosen Bäumen und dürren, nackten Büschen waren auch nicht dazu angetan, gute Laune zu verbreiten.
Obwohl ihm dieses Mal das Laufen leicht fiel, war er froh, als er endlich die Haustür aufschließen konnte. Allmählich war die Kälte durch seine Jacke gekrochen und der Regen hatte den Weg durch die Imprägnierung gefunden. Schnell räumte er seine Einkäufe weg, um sich dem Stadtanzeiger widmen zu können.
Wie beim Gegenstück aus Aachen hatte die Kölner Lokalzeitung die gesamte anzeigenfreie Seite drei dem Thema von Sybar gewidmet. Doch war die Zielrichtung eine andere: Die Journalisten aus Köln interessierten sich dafür, wie es in der karnevalistischen Session weitergehen werde.
›Bekommt Köln ein neues Dreigestirn?‹, war die alles überragende Frage, nachdem noch einmal die Trauer um den Getöteten und das mangelnde Verständnis wegen der sinnlosen Tat betont worden waren. Dem Vernehmen nach würde in der Findungskommission des Organisationskomitees für den Kölner Karneval intensiv beraten. Die Tendenz gehe dahin, einen neuen Prinzen zu proklamieren.
Von dieser Annahme ausgehend, gab es ein Interview mit der Jungfrau von Pitter III. Wolfgang Bartuschak machte deutlich, dass er und selbstverständlich auch der Bauer des Aachener Dreigestirns nicht für einen anderen Prinzen zur Verfügung stünden. ›Allein der Gedanke ist schwachsinnig‹, wurde Bartuschak zitiert. Auf eine Stellungnahme des dritten Mannes wurde zwangsläufig verzichtet, befand er sich doch im Urlaub. Bartuschak hatte sich geweigert, dessen Kontaktdaten rauszurücken.
Verschiedene Mitglieder des Komitees mitsamt der Findungskommission wiegelten halbherzig ab und gaben überhaupt keinen Kommentar ab. Zwischen den Zeilen war für den gewieften Zeitungsleser dennoch erkennbar, dass sie nach einer angemessenen Trauerfrist ein neues Dreigestirn vorstellen würden.
›Der Karneval muss weiter gehen‹, ließ sich Fritz Schmitz vernehmen, den die Zeitung als Büttenclown Witze Fritze und Programmgestalter bezeichnete.
Böhnke konnte sich vorstellen, was der Karnevalist meinte. Der Berufsnarr schielte garantiert auf das Geld. Karneval war trotz aller Ausgelassenheit auch eine wirtschaftliche Angelegenheit. Darüber hinaus schenkte er der Bemerkung von Schmitz keine Bedeutung.
Interessanter fand er einen Hinweis auf den Kölner Oberbürgermeister, der dem Komitee aus der Klemme geholfen hatte, als es sich zunächst vergeblich auf die Suche nach einem Dreigestirn gemacht hatte. Müller hatte die Truppe aus Aachen ins Gespräch gebracht und die Ernennung von Sybars durch die Kölner Karnevalsoberen eingefädelt.
›Vielleicht hilft Müller noch einmal‹, spekulierte der Schreiber des Artikels. Bedauerlicherweise sei der Oberbürgermeister am Wochenende wegen eines privaten Städtetrips nach Lissabon nicht erreichbar gewesen.
Gehörte es auch zur Politik oder zur Arbeit eines Oberbürgermeisters, sich um den Karneval in seiner Stadt zu kümmern?, fragte sich Böhnke. Bedeutete der Karneval so viel? Er selbst hatte Zeit seines Lebens nach Möglichkeit immer einen weiten Bogen um den närrischen Frohsinn gemacht. Allenfalls aus beruflichen Gründen hatte er sich in der Narrenszene herumgetrieben. Wenn sich die Gelegenheit ergeben würde, musste er das Gespräch mit Müller suchen. Wobei …
Er legte nachdenklich die Zeitung aus der Hand. Müller und von Sybar waren nicht nur wegen des Karnevals in Kontakt gewesen, sondern auch wegen einer Verhandlung über einen Grundstückskauf in Köln. Ob es da eine Verbindung gab? Er beschloss, mit
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