Prinz-Albrecht-Straße
nachzitterte.
»Und wo ist der Bursche?« fragte Heydrich gefährlich leise.
»Tot«, antwortete Georg mit plumpem Stolz.
»Sie haben ihn umgelegt?« fragte Heydrich.
»Jawohl, Gruppenführer«, Georg schlug die Hacken zusammen.
»Und warum?«
»Er hat zuerst geschossen.«
»Einer gegen zwei«, sagte Heydrich verächtlich. »Was seid ihr doch für Scheißkerle.«
»Aber …«, setzte Georg an.
»Halten Sie den Mund«, unterbrach ihn der Chef des Reichssicherheitshauptamtes grob. Er betrachtete Georgs Gesicht, in dem die Fäuste Stahmers ihre Spuren hinterlassen hatten. Er nickte, als ob er die Zusammenhänge plötzlich begreifen würde.
»Und wo ist das Mädchen?« fragte er Stahmer.
»Schon seit zwei Tagen in Berlin«, erwiderte der Agent. Jetzt, dachte er, fragt Heydrich weiter, und Ira ist erledigt …
»Und wie war sie?«
Eine Spur zu schnell antwortete Stahmer: »In Ordnung, Gruppenführer.«
Der Mann in der schwarzen Uniform überlegte. »Und was machen wir mit ihr?« Er kam zu keinem Entschluß. »Mal sehen«, gab er sich selbst zur Antwort.
Heydrich ging mit großen, drahtigen Schritten hinter seinem Schreibtisch hin und her. »Prima habt ihr das gemacht«, sagte er ironisch, »ein Skandal in der ganzen Welt. Die Auslandspresse habt ihr gefüttert, das Reich in den Dreck gezogen, ihr …«
Er blieb vor einer großen Wandkarte stehen. Auf einmal lächelte er. Stahmer deutete es richtig. Schweiß lief ihm über den Rücken. Er fühlte sein Körpergewicht in den Kniekehlen.
Der Gruppenführer deutete mit dem Bleistift auf die Karte und drehte sich halb zu dem Mann mit dem Decknamen Georg um.
Er sagte gleichgültig: »Dachau … Buchenwald … Oranienburg … Suchen Sie es sich aus.«
»Was soll ich, Gruppenführer?« fragte der Mörder mit dem stupiden Gesicht.
»Ich gebe Ihnen Gelegenheit zu begreifen, was es heißt, meine Befehle nicht zu befolgen. Ich lass' Sie in ein Lager schaffen …« Das fahle Lächeln wurde breiter: »In Anbetracht Ihrer Verdienste dürfen Sie es sich selbst aussuchen.« Scharf setzte er hinzu: »Verstanden?«
»Nein, Gruppenführer«, erwiderte Georg, gelähmt vor Angst.
Das allmähliche Begreifen veränderte sein Schlägergesicht. Er stand da, mäßig stramm, mit geducktem Nacken und hervorquellenden Augen. Sein Gesicht sah aus wie von einem Sturz entstellt.
Heydrich ging auf sein Vorzimmer zu, riß die Tür auf. Ein Sachbearbeiter stürzte herein.
»Dieser Mann da«, ordnete der Chef des RSHA an, »kommt in das Lager …«, er zögerte und drehte sich zu Georg um.
»Na, wird's bald«, fuhr er ihn an.
»Da … Dachau«, vollendete der Mörder den Befehl seines Chefs wie hypnotisiert.
»Dachau«, wiederholte der Gruppenführer. »Sofort, bis auf weiteres.«
Er war mit seiner Anordnung zufrieden. Es war ihm gleichgültig, ob er Feinde oder Zuhälter des Systems hinter Stacheldraht sperrte. Nur auf die Macht kam es ihm an. Furcht durch Terror. Gegen jeden …
»Aber …«, raffte sich Georg zu einem letzten Widerstand auf.
Der Sachbearbeiter zog ihn aus dem Raum.
»Und Sie«, wandte sich Heydrich an Stahmer, »melden sich unverzüglich bei Standartenführer Löbel.«
»Jawohl, Gruppenführer«, versetzte der Agent.
Seine Stimme klang brüchig. Die Angst war zu schnell in Erleichterung übergegangen.
Schluß der Unterhaltung. Aus. Noch ein zerstreutes Kopfnicken. Das genügte Heydrich, seine Mitarbeiter in Marsch zu setzen.
Eine halbe Stunde später erhielt Stahmer den seltsamsten Auftrag, den die Kanzlei des Satans je zu vergeben hatte …
31
Fünf Schritte vor, fünf Schritte zurück. Ira war in der Zelle. Der silbergraue Velours dämpfte das Geräusch. Der Raum war einfach und geschmackvoll möbliert. Es war gar keine Zelle, sondern ihre kleine Wohnung, die sie so gern mochte, die sie sich eingerichtet hatte, als ihr Vater zum zweitenmal heiratete. Das Gefängnis war ihr Kopf. Und der Aufseher hieß Stahmer. Er erschien unpünktlich. Erwartet, wenn auch ungebeten. Er war ein Mann, den die Zeit verführt hatte und für sich zurechtbog. Ein Landsknecht ohne Krieg. Ein Haudegen ohne Schwert. Ein Rennfahrer ohne Silberpfeil. Ein Mensch ohne Sitzfleisch, sonst wäre vielleicht aus ihm etwas Rechtes geworden. So benutzte er mehr seinen Mut als den Verstand, den er sicher hatte. Trieb Raubbau mit abenteuerlustiger Kühnheit, wie sie nur die Gefühlskälte, auch sich selbst gegenüber, haben kann.
Sie wartete seit Stunden. Er kam nicht. Sie sah
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