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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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auszuführen …«
    Er horchte ihr nach. Eigentlich hat sie recht, überlegte er, aber was versteht sie schon davon? Gut, daß sie nichts davon versteht …
    »Sie haben mich nicht richtig verstanden«, fuhr er drängend fort. »Sie …«
    »Ich weiß«, entgegnete Margot eine Spur ernster, »ich soll mundtot gemacht werden …« Sie lächelte ihn vage von der Seite an. »Und wie geht so etwas vor sich?« fragte sie.
    Der Agent betrachtete seine Schuhspitzen.
    »Da gibt es verschiedene Möglichkeiten«, sagte er, ohne aufzusehen. »KZ-Haft wäre noch die mildeste, Fallbeil die nächste … oder man läßt Sie … uns alle drei einfach spurlos in der Versenkung verschwinden … Haben Sie nun endlich kapiert?«
    Sie erwiderte nichts. Aber ihrem erschrockenen Gesicht war anzumerken, daß sie seine Warnung verstanden hatte. Dann sprachen sie nichts. Kein Wort.
    »Wie alt sind Sie eigentlich?« fragte Stahmer ungeniert.
    »Zweiundzwanzig.«
    »Und von Beruf?«
    »Sind Sie ein Polizist?« fragte Margot lächelnd.
    »Wieso?«
    »Es klingt wie ein Verhör.«
    »Entschuldigen Sie«, erwiderte er. Er machte lauter Fehler. Er lief Spießruten durch eine Allee von Spiegeln und kam sich nackt vor.
    »Der Mensch ist neugierig«, brummte er dann. »Und ich bin einer … wenn Sie mich auch für einen Unmenschen halten.«
    »Streiten wir nicht«, erwiderte sie.
    »Mein Lebensbericht ist nur eine Kurzgeschichte«, erklärte sie dann. »Ich bin nur die Tochter meines Vaters.«
    »Und was möchten Sie werden?«
    »Die Frau eines Mannes.«
    »Gibt es ihn schon?«
    »Ich nehme an«, erwiderte Margot. »Ich kenne ihn nur noch nicht.«
    Er lachte. »Sie haben sich einen anstrengenden Beruf ausgesucht.«
    Sie gingen in ein kleines Lokal. Es hieß ›Don Juan‹. Stahmer bestellte eine Flasche Wein. Er hob sein Glas und trank Margot zu. Sie nippte nur. Ihre Hand spielte mit dem Glas. Ihre blauen Augen musterten sein Gesicht. Werner Stahmer vergaß seinen Beruf. Sie kamen sich näher, aber nicht nahe. Er erzählte wenig von sich und wollte viel von ihr wissen.
    »Meinem Vater gehören drei Schuhgeschäfte in Berlin«, sprudelte Margot heraus. »Die genaue Höhe seines Bankkontos kenne ich nicht. Ich bin evangelisch, habe das Abitur und möchte einmal zwei Kinder. Einen Jungen und ein Mädchen, wenn möglich. Sonst noch was?«
    Er lachte. »Sie sind merkwürdig«, sagte er. »Ein Mädchen in Ihrem Alter und schon das Leben abschreiben. Kein Abenteuer mehr …«
    »Vielleicht ist eine Ehe das größte Abenteuer, das es gibt«, erwiderte sie und lächelte.
    Sie roch nach Lavendel, nach Ruhe, nach Sauberkeit. Er spürte es. Es war ein schöner Abend. Er gab es auf, bewußt zu flirten. Er wollte nicht mehr wirken, sondern nur mit ihr Zusammensein. Als sie sich trennten, hatte er nicht mehr erhalten als ihre Telefonnummer, und auch die erst nach dem zweiten Versuch.
    »Darf ich Sie anrufen?« fragte er.
    »Versuchen Sie es«, erwiderte das brünette Mädchen.
    »Hätte es Erfolg?«
    »Die Antwort kostet zwei Groschen. Sie können sie in jeder Telefonzelle loswerden«, sagte sie und verschwand ohne weiteren Abschied.

33
    Dick zog sich der Nebel vom Tiergarten her durch die Stadt, wickelte sich wie eine Girlande um die Botschaftsgebäude am Rande des Parks und sprühte dann als nasser Dunst auf die menschenleeren Straßen des Regierungsviertels.
    Der Tritt des Postens hallte hohl wie die Zeit. Regelmäßig, rhythmisch: zehn Schritte vor, zehn Schritte zurück, Straße im Blick, Ablösung im Kopf. Der langgestreckte, rote Sandsteinbau warf das Echo zurück. Auf den Fenstern spiegelte sich zitternd das Licht einsamer Bogenlampen. Dahinter lagen Akten; denn dieser Bau war das Heeresarchiv.
    In der feuchten Winterluft verwehten drei dumpfe Glockenschläge. Dreiviertel eins. Der Posten gähnte gegen die Toreinfahrt. Gleich würde er abgelöst. Was gibt's hier schon zu bewachen? Dokumente vom Keller bis zum Speicher. Militärische Vergangenheit. Nach menschlichem Ermessen können sich nur ausgediente Generäle dafür interessieren.
    Ein Schatten huschte gespenstisch an der gegenüberliegenden Häuserwand entlang. Es war ein Mann, der über die Straße kam. So schnell, als ob er dem Echo seiner eigenen Schritte entfliehen wollte. Er hetzte an dem klobigen Gebäude entlang, bis zur Mauer des Innenhofes. Ein Blick zum Posten. Ein Klimmzug. Ein paar schmutzige Schneebrocken rutschten vom Mauersims auf die Straße.
    Der Mann lehnte sich gegen die Wand,

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