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Prinz-Albrecht-Straße

Prinz-Albrecht-Straße

Titel: Prinz-Albrecht-Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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war der Standartenführer ein armseliger Stubenhocker, dessen Blutrausch etwas Komisches an sich hatte. Wie sollte der Agent wissen, daß die irrsinnigen Pläne sich schon bald in Fleisch und Blut verwandeln würden? In totes Fleisch und rotes Blut! Daß aus einem salbadernden Theoretiker ein eiskalter Praktiker würde? Bis zum Ende. Bis zum Galgen. Bis ans Grab.
    In den Augen Löbels brannte die Gier, sich zu bewähren.
    »Wiederholen Sie«, sagte der Standartenführer.
    Werner Stahmer schüttelte den Kopf. Er wußte nur, daß es fünf Groschen waren, die er lose in der Tasche trug. »Ich habe nicht alles mitgekriegt«, erwiderte er wenig zerknirscht.
    »Noch nicht ausgepennt, was?« Gleich gab sich Löbels Unmut wieder gönnerhaft. »Versteh' ja schon, daß Sie hundemüde sind.«
    Für schnelle Sekunden zeigte der Leiter des Referats ›Ost‹ die Gutmütigkeit des Henkers, der seinem Opfer rasch noch einen Witz erzählt, bevor er ihm den Kopf abschlägt.
    »Also«, wiederholte er, »Sie melden sich beim Heeresarchiv … Lassen sich von diesem Burschen, dem Kriminalkommissar Wendland, die Akten geben … Und dann hat alles nach Ihrer Pfeife zu tanzen.«
    »Ich soll …?« fragte Stahmer überrascht.
    »Sie wissen doch am besten, wer der Einbrecher ist … oder?« erwiderte Löbel mit breitem Gelächter.
    Gar nicht so dumm, überlegte Stahmer. Heydrich hat Witz … Der Einbrecher als sein eigener Verfolger! Und gar nichts dahinter, bloß ein paar gestohlene Akten. Wenn Stahmer geahnt hätte, daß jede Folie in Blut getaucht werden würde, wäre sein Spaß an der Situation auf der Stelle verflogen.
    »Und dann?« fragte er.
    »Geht Sie nichts an … Zunächst nicht«, entgegnete der Standartenführer. »Wir benutzen das Zeug, um einen Schriftwechsel zu präparieren«, erklärte er dann doch.
    Er trat ans Fenster, zündete sich eine Zigarette an, drehte sich langsam um und fragte geheimnisvoll: »Können Sie eigentlich reiten, Stahmer?«
    »Ja, sicher«, erwiderte der Agent, »… warum?«
    »Zunächst erledigen Sie die Geschichte mit dem Heeresarchiv … Es ist wohl klar, daß der Täter nicht gefaßt wird … Am besten nehmen Sie einen Unschuldigen fest und sperren ihn eine Zeitlang ein, bis Gras über die Geschichte gewachsen ist … Dann ruhen Sie sich aus.«
    »Bin nicht müde«, brummte Stahmer.
    »Um so besser! Mensch, Sie sind doch ein Kerl, der auf Weiber wirkt … Sie melden sich in der privaten Reitschule Rudolphi an … da reitet jeden Tag die Tochter des früheren russischen Generals Denikin. An die machen Sie sich 'ran.« Der Standartenführer lächelte schräg. »Sehen Sie zu, daß Sie nicht vom Gaul fallen … und bei ihr vorwärtskommen, mit allen Mitteln … so schnell wie möglich … Wir brauchen die Dame für unsere Pläne.«
    »Gut, Standartenführer«, erwiderte Stahmer. Er verabschiedete sich gleichgültig. Er dachte an seine neue Aufgabe im Heeresarchiv und lächelte. Das war etwas nach seinem Geschmack. Reiten, auch nicht schlecht! Und am Abend Margot. Alles war in Ordnung. Die leichtsinnige Rechnung schien aufzugehen. Das Bild des toten Formis verschwamm im Hintergrund. Gelegentliche Gedanken daran ließ er nicht hochkommen. Georg, der Mörder, saß in Dachau. Das Verbrechen war, wenn man so wollte, gesühnt. Und ich bin noch nicht in Ungnade bei Heydrich, dachte Stahmer. Was kostet die Welt, wenn der Teufel allmächtig ist …

35
    Kriminalkommissar Wendland, ein junger, ehrgeiziger Beamter, hatte sich im Gebäude des Heeresarchivs eingenistet. Er wollte Werner Stahmer mit fachkundiger Umständlichkeit das Ergebnis seiner Untersuchung erklären, aber der Beauftragte des RSHA winkte kühl ab, nahm ihm einfach die Protokolle aus der Hand. »Es tut mir leid«, sagte er, »aber Sie wissen ja, daß wir jetzt die Geschichte weiterbearbeiten.«
    »Halten Sie das für richtig?« fragte der Kommissar unwillig.
    »Ich stelle keine Fragen«, antwortete der Agent, »ich führe nur Befehle aus … Sie übrigens auch.«
    Der Kriminalbeamte zuckte die Schultern. Es war nicht das erstemal, daß er sich über den Eingriff einer Behörde ärgerte, die seiner Ansicht nach aus Dilettanten und Glücksrittern bestand. Aber die Prinz-Albrecht-Straße hatte die Macht, und wer sich noch nicht duckte, würde es bald lernen.
    Zunächst vernahm Stahmer den Wachhabenden. Der Agent kannte ihn, es war der Feldwebel, der ihn in der Nacht nach dem Einbrecher gefragt hatte.
    »Der Kerl hat sich für den

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