Prinz der Düsternis
werden wir, wenn wir nicht zusehen, dass wir schnell wieder von hier verschwinden.« Leiser fügte der Steinmann hinzu: »Ich spüre es. Es ist etwas da, und es kommt näher…«
»Du hattest die Wahl. Ich wollte allein gehen.«
Der Steinmann murmelte etwas Unverständliches und sah No-Ango hilfesuchend an. Der Rafher schien die Umgebung gar nicht mehr wahrzunehmen.
»Also schön«, seufzte Sadagar. »Dann gehen wir. Und wo sollen wir wen oder was suchen, wenn man fragen darf?«
»Wir halten die Augen offen«, antwortete Mythor knapp. Auch er spürte die Nähe von etwas ungeheuer Fremdem, Drohendem, doch sein einmal gefasster Entschluss war unumstößlich. Wenn an dem, was er von der Prinzessin noch erfahren hatte, auch nur ein Körnchen Wahrheit war, musste er Gewissheit haben – und der Weg nach Logghard führte durch diesen Dschungel.
Vorsichtig machten die drei Gefährten sich auf den Weg. Dann und wann blitzte es in No-Angos Augen auf. Mythor hielt den Griff des Krummschwerts fest umschlossen, und Sadagar hatte Messer in beiden Händen.
Die Schritte der Männer gruben sich tief in den lockeren Boden. Hinter jedem Pilz schien eine neue Welt zu beginnen. Erst jetzt wurde die Formenvielfalt dieses Dschungels offenbar. Riesige Ständerpilze wechselten sich ab mit Morcheln und Gewächsen, die aussahen wie die roten, dicken und fettigen Haare eines in den Boden gerammten Titanen. Verwitterte, quer zwischen den Pilzen liegende Baumstämme, über und über von Parasiten befallen, zeugten davon, dass auch hier sich einstmals Holzwälder befunden hatten – bevor die Düsterzone sich wieder auszubreiten begann.
Unheimliche Schattenspiele gab es an diesem Ort, wo keine Sonne war. Mythor blieb stehen und suchte vergeblich nach ihrem Ursprung. Er sah kein Licht, doch musste es da sein. Dann wieder hatte er das Gefühl, die Schatten, die langsam über Boden und Stämme wanderten, lebten aus sich selbst heraus. Er erschauerte und packte den Griff des Schwertes fester. Je tiefer er und seine Begleiter in dieses fremde Reich eindrangen, desto häufiger musste er den Gedanken zurückdrängen, dass das, was seine Augen sahen, gar nicht die Wirklichkeit war, sondern dämonisches Blattwerk, mit dem er in die Irre geführt werden sollte.
So wie jene, denen seine Suche galt?
Sadagar hatte längst aufgehört, Fragen zu stellen. Scheu um sich blickend und mit einer Miene, die seine ganze Verärgerung zeigte, folgte er Mythor.
Irgendwo knackte es. Mythor blieb stehen und hob eine Hand. Wieder hörte er das Geräusch, und ganz kurz sah er, wie sich etwas im Halbdunkel, bewegte, ein Schatten vielleicht.
»Gehen wir weiter«, flüsterte Sadagar. »Da… da ist nichts, Mythor. Aber hier stinkt’s hundserbärmlich!«
Ein verfaulter Pilz, schwarz und schleimig, bedeckte eine Fläche von der Größe eines kleinen Teiches. Große Insekten befanden sich darauf und stoben sirrend in die Lüfte, als die Gefährten zu nahe kamen.
Wieder hörte Mythor das Knacken, und es kam abermals aus der gleichen Richtung.
»Ruhig jetzt!« flüsterte Mythor, glitt hinter einen Pilzstamm und winkte die Gefährten heran. »Wir werden gleich wissen, wer uns da nachstellt.«
»Du hast wahrhaftig den Verstand verloren«, schimpfte Sadagar, beeilte sich aber, hinter den Stamm zu kommen. Vier, fünf Mannslängen hoch über ihnen spannte sich der gewaltige Hut von der zehnfachen Größe eines Mühlsteins. Würmer und Maden, so groß wie Schlangen, steckten ihre Köpfe aus unzähligen Löchern im Stamm. Mythor kämpfte gegen seinen Ekel an und durchtrennte einen der schleimigen Leiber, der ihm zu nahe kam, mit einem einzigen Hieb.
Dann begann das Warten.
Kein Sonnenstrahl beschien die fingerdicken Fäden, die durch das Halbdunkel des Pilzwaldes geschossen wurden und an Stämmen und Hüften klebenblieben. Kein Glitzern verriet das gewaltige Netz, das sich langsam um die Männer spann, kein Laut die monströse Kreatur, deren armdicke, behaarte Beine sich tastend aus den Schatten schoben, während Mythors ganze Aufmerksamkeit jenem Unbekannten galt, der sich weniger lautlos näherte.
*
Jehaddad hatte nicht länger die Kraft, sich auf den Beinen zu halten. Er taumelte noch einige Schritte. Dann drehte sich die Welt aus roten, grünen und grauen Stämmen, aus Riesenfächern und vermodertem Holz um ihn herum immer schneller, bis Jehaddad mit dem Gesicht im lockeren Boden landete. Mühsam und unter furchtbaren Schmerzen richtete er sich halbwegs auf, verlor
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