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Prinz der Düsternis

Prinz der Düsternis

Titel: Prinz der Düsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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abermals den Halt und blieb auf dem Rücken liegen. Er atmete heftig, und jeder Atemzug bedeutete stechenden Schmerz in den Lungen, die vom dämonischen Staub zerfressen waren.
    So blieb der Krieger liegen, bis sich die Schleier vor seinen Augen lichteten. Er sah die Pilzdächer über sich und das Spiel der Schatten. Es war immer das gleiche Bild, und wie lange schon? Wann war er aufgebrochen, um das Unmögliche zu versuchen? Wann würde sich dieser verfluchte Wald endlich teilen und er das Licht der Welt wieder sehen? Er war nicht im Kreis gelaufen, immer geradeaus, fort von der dunklen Wand im Süden.
    Jehaddad zuckte heftig zusammen, als seine Hand über die brennenden Augen wischen wollte und sein Gesicht berührte. Seine Finger fühlten etwas Hartes, Poröses wie erkaltete Lava. Der Krieger bäumte sich auf und erbrach sich. Er war verloren. Nicht einmal Magie konnte ihn jetzt noch retten, aber für jene, die er zu treffen gehofft hatte, war es noch nicht zu spät zur Umkehr.
    Ich muss weiter! durchfuhr es ihn. Längst hatte er die letzte Hoffnung verloren, doch allein die Berührung dessen, was einmal sein Gesicht gewesen war, machte in ihm nochmals Kräfte frei. Verzweiflung und unbeschreibliches Grauen beherrschten sein Denken. Weiter! Die Prinzessin warnen! Nicht liegenbleiben, das ist der Tod!
    Jehaddad konnte nicht mehr sprechen. Die steinerne Masse bedeckte sein Gesicht vom Hals bis hoch in sein Haar hinein. Nur der Mund und die Augen waren frei, so dass er atmen und sehen konnte. Doch kein Muskel ließ sich bewegen.
    Der Krieger richtete sich auf, ertrug alle Schmerzen und taumelte weiter, ging in die Knie und warf sich gegen Pilzstämme, als seine Beine ihn nicht mehr tragen wollten. Ein Regen aus grauen Sporen kam auf ihn herab. Er atmete sie ein und glaubte, ersticken zu müssen. Wieder stieß er sich ab, machte drei, vier Schritte und sank auf die Knie. Er kroch auf allen vieren weiter. Seine Hände gruben sich tief in den von Pilzgeflecht durchzogenen Boden. Weiter! Immer weiter! Jehaddad nahm nicht mehr wahr, dass er sich im Kreis bewegte. Plötzlich sah er eine lange Karawane vor sich, farbenprächtig geschmückte Laufvögel und die Sänfte der Prinzessin. Er streckte die Hand aus wie ein Verhungernder nach Nahrung.
    Das Trugbild verschwand. Statt dessen sah der Krieger ein graues Seil vor sich, das sich zwischen zwei Stämmen spannte. Er griff unwillkürlich danach, um sich hochzuziehen – und blieb mit der Hand daran kleben.
    Obwohl er den Tod herbeisehnte, griff nun die Todesangst mit eisigen Klauen nach ihm. Er zerrte an dem, das er jetzt als das erkannte, was es in Wahrheit war, warf sich mit dem ganzen Gewicht seines geschundenen Körpers zurück und wälzte sich auf dem Boden. Das »Seil« gab nach und dehnte sich mit ihm. Rasend vor Angst, trat er mit den Füßen danach, mit dem Erfolg, dass auch sie klebenblieben. Jehaddad blieb auf dem Rücken liegen und atmete heftig. Seine Augen rollten in ihren Höhlen. Er suchte die Umgebung ab und folgte mit Blicken dem Faden, bis er andere Fäden erkannte, die sich überall zwischen den Pilzen spannten zu einem gewaltigen, leicht zitternden Netz.
    Dann schob sich etwas Dunkles, Riesiges über ihn. Sein stummer Schrei verhallte ungehört. Mit der freien Rechten riss er das Schwert aus dem Gürtel und schlug nach dem Schatten, der noch viel zu hoch über ihm war. Die letzte Kraft verließ seinen Arm, und die Klinge entglitt seiner Hand. Es war vorbei. Mit ihm starb die letzte Hoffnung für jene, denen ein so grausames Schicksal beschieden sein sollte.
    Als er die schwarzen Beine der Spinne sah, dann den ganzen furchtbaren Leib der riesigen Kreatur, die das Netz herunterkam und ihre schrecklichen Scheren gierig bewegte, verließ Jehaddad das Bewusstsein. Er versank in einer Welt aus Schwärze, Qual und Pein und furchtbarem Wissen.
    *
    Mythor war für einen Augenblick vom Entsetzen gelähmt. Er spürte sein Herz schlagen, als wollte es ihm die Brust zerreißen. Sadagar starrte entsetzt auf den Mann, dessen Gesicht nichts Menschliches mehr hatte, dessen Kleidung ihn aber eindeutig als Vogelreiter auswies. No-Ango hatte seine Pfeilschleuder in der Hand, in die einer der zweifingerlangen Obsidiansplitter eingelegt war. Keine Regung zeigte sich auf seinem langen, dunklen Gesicht, auch jetzt nicht, als sich die Riesenspinne, immer schneller werdend, auf den Gesichtslosen herabsenkte. Das markerschütternde Kreischen, das die Kreatur dabei ausstieß, riss

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