Prinz Rajin - Der Verdammte
vierten Generation gab es so genannte „Missratene“, Dreiarmige oder andere Veränderte, die ihren Gehorsam mit der Zeit vergaßen und schließlich nicht mehr bereit waren, ihrem jeweiligen Herrn bedingungslos zu dienen. Und wenn die Geschichten um die menschenfressenden verwilderten Dreiarmigen einen wahren Kern hatten, dann gewiss den, dass die Missratenen allzu oft von ihrem Herrn oder ihrer Heereseinheit flohen und ihr eigenes Leben zu führen versuchten.
„Wir konnten uns nicht einigen, ob wir ihn gleich töten oder erst noch herauszubekommen versuchen sollten, ob noch mehr von seiner Sorte in der Gegend herumstreichen“, erklärte Andong. „Und da dachten wir, am besten überlassen wir die Entscheidung Euch.“
„Er soll sich ans Feuer setzen“, sagte Rajin. „Und man gebe ihm zu essen und zu trinken!“
„Ist das Euer Ernst?“, fragte Andong verwundert.
„Ja, das ist es“, versicherte Rajin.
„Allerdings werden wir diesem Menschenfresser wohl kaum seine Lieblingsspeise zubereiten können“, witzelte einer der Ninjas, „Denn es mangelt uns zurzeit an Kindern!“
Einige der Männer brachen daraufhin in Gelächter aus, das allerdings vom wütenden Aufbrüllen des Dreiarmigen erstickt wurde. Er riss an den Seilen, mit denen er gehalten wurde. Die Männer, die sie hielten, wurden mit einem Ruck zu Boden gerissen. Dafür zogen andere die Schlinge seiner Fußfesseln zusammen, sodass er zu Boden stolperte und sich nicht mehr rühren konnte.
„Wir sollten ihn mit seiner eigenen Axt erschlagen!“, schlug Ganjon vor.
„Halt!“, schritt Rajin ein. „Er hat uns nichts getan, und deshalb sollte er auch von uns nichts zu befürchten haben.“
„Ja, weil wir ihm keine Gelegenheit dazu gelassen haben, uns etwas zu tun!“, gab Andong zu bedenken. „Ich glaube schon, dass er jeden von uns gern einen Kopf kürzer machen würde.“
Der Dreiarmige rollte auf dem Boden und spannte die gewaltigen Muskeln seines Axtarmes an, schaffte es aber wieder nicht, die Seile, mit denen ihn die Ninjas gefesselt hatten, zu zerreißen.
„Das ist Hanf aus Nangkor – der beste, den es gibt“, kommentierte Andong. „Behandelt mit einer Tinktur des namenlosen Alchimisten am Hof von Sukara.“
„Ist das derselbe Alchimist, der auch den Luftschifftöter erfand?“, erkundigte sich Rajin.
Andong nickte. „Dies und vieles mehr, woran heute noch Menschen ihren Nutzen haben.“
„Umso bedauerlicher, dass sein Name nicht überliefert wurde“, meinte Rajin.
„Verflucht worden wäre gewiss sein Name!“, drang es auf einmal aus dem lippenlosen, mit Raubtierzähnen bewehrten Maul des Dreiarmigen.
„Du beherrscht unsere Sprache?“, wunderte sich Rajin.
Der Dreiarmige wandte den haarlosen, von harter purpurfarbener Schuppenhaut bedeckten Schädel, und sein Blick musterte den Prinzen. „Was wundert dich daran?“
„Dreiarmige pflegen für gewöhnlich nicht als Sprachgelehrte und Übersetzer aufzutreten“, mischte sich Liisho ein. „Eher erwartet man eine handfestere und blutigere Profession.“
„Ich diente eine Weile als Leibwächter eines drachenischen Kaufmanns, der sich in Capana niedergelassen hatte“, erklärte der Dreiarmige. „Und mein Herr bestand darauf, dass ich seine Sprache erlernte.“
„Du überraschst uns“, gestand Liisho. „Aber man tut generell gut daran, sein Urteil nicht nach dem äußeren Anschein zu fällen.“
„Wie wahr“, gab der Dreiarmige zurück.
„Capana …“, ergriff Rajin wieder das Wort. „Das liegt im Lande Magus.“
„Ja, mein Herr hatte dort ein Kontor für ein Handelshaus im drachenischen Vayakor gegründet. Seine Lastdrachen flogen regelmäßig zwischen Vayakor und Capana hin und her. Es müssen Zehntausende von Lastgondeln gewesen sein, die sie im Laufe der Zeit nach Capana brachten, voll mit Waren aller Art.“
„Und warum dienst du deinem Herrn nicht mehr?“, fragte Liisho.
„Das Geschäft meines Herrn lief schlecht, weil die Konkurrenz ihn preislich unterbot. Mag der Teufel wissen, wie sie es schafften, ob sie ihren Drachen nur das halbe Futter gaben oder meinen Herrn einfach nur aus dem Geschäft drängen wollten und deswegen unter ihren Selbstkosten flogen. Jedenfalls diente ich später einem Schmied in Feuerheim nahe der Stadt Faran, bis dieser an der Roten Pest starb. Die Krankheit wütete drei Monate in der Stadt, und danach war die Hälfte ihrer Einwohner tot. Es gab nicht einmal mehr genügend Sonnenpriester, um die Totenrituale
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