Prinz Rajin - Der Verdammte
nicht.
„Erkennt ihr mich nicht? Ich bin es - Bjonn Dunkelhaar!“
Nya wandte ruckartig den Kopf, so als hätte der Klang dieses Namens etwas in ihr ausgelöst. Er verlangsamte seinen Lauf, ging auf sie zu, streckte den Arm aus und versuchte sie zu berühren, aber seine Hand glitt durch sie hindurch, so als würde sie aus nichts anderem als Lichtstrahlen bestehen, die sie von innen heraus durchdrangen.
„Nein!“, schrie Rajin, als er begriff, dass Koraxxon recht gehabt und er tatsächlich nur Trugbilder vor sich hatte. Irrlichter, die ihn hatten glauben lassen, die beiden wichtigsten Menschen seines Lebens wiedergefunden zu haben.
Im selben Moment schlangen sich Ranken um seine Füße. Der Boden, auf dem er bisher gestanden hatte, begann zu schwanken und sich zu bewegen. Das Gras brach auf, und schlangenähnliche Arme wanden sich aus dem Erdreich hervor. Rajin hatte nicht mal eine Waffe bei sich. Es gelang ihm zwar, sich loszureißen, doch kaum war er zwei Schritte davongestolpert, legten sich weitere rankenähnliche Arme um seine Knöchel. Er wurde zu Boden gerissen, aber da Koraxxon heran und befreite ihn von dem aus der Tiefe wuchernden Gestrüpp. Ärgerliche, stöhnende Laute drangen dabei von überall her. Sie schienen aus dem Boden zu kommen.
Dazwischen mischte sich Koraxxons Stimme. „Was habe ich dir gesagt?“, polterte der Dreiarmige, der Rajin befreit hatte.
„Wenn ich nur ein Schwert zur Verfügung hätte“, knurrte Rajin.
„Du hättest eines, hättest du es im Schlaf berührt!“, sagte der Dreiarmige. „Ich beherzige das immer – aber leider hattet ihr mir meine Waffen nicht zurückgegeben, und nun stehe ich fast genauso wehrlos da wie du.“
Rajin sah sich noch einmal um. Wo waren Nya und Kojan geblieben? Sie schienen einfach verschwunden, hatten sich in Nichts aufgelöst. Hatte man ihn wirklich derart getäuscht? War alles nur ein Trugbild gewesen, das ihn hatte ins Verderben locken sollte?
„Sie schienen mir so, als würden sie von einer weiteren, noch ferneren Existenzebene hierher schauen“, sage er. „Aber sie konnten mich nicht sehen … Nur für den einen Moment, als ich auf der anderen Lichtung …“
„Du redest Unsinn!“, tadelte Koraxxon. „Und wenn wir jetzt nicht endlich verschwinden, wirst du hier gefangen bleiben. Die Seelenreste der Verdammten, die im Leeren Land gestrandet sind, sind überall. Ah …!“ Koraxxon stapfte wild auf und trat einen Pflanzenarm nieder, der plötzlich aus der Erde gewuchert war und versucht hatte, nach seinem Fuß zu greifen.
Rajin war hin und her gerissen. Das Gezücht, das aus dem Boden emporkroch, erinnerte ihn an einen Zauber, mit dem der Magier Ubranos ihn in der kalten Senke auf Winterland angegriffen hatte, kurz nachdem er das Pergament erhalten hatte. Für einen Moment stand Rajin alles klar und deutlich vor Augen. Er wusste, dass Koraxxon recht hatte und all das, was er im Moment erlebte, nur eine Variante jener Magie war, die ihn schon auf Winterland hatte vernichten sollen. Das Perfide waren die Lockvögel, die dabei benutzt wurden.
Nya und Kojan …
Dass hier, im Leeren Land, doch keine Möglichkeit bestand, den beiden verloren geglaubten Seelen begegnen zu können, wollte ihm aber nicht in den Kopf. Zu lebendig waren ihm die Erscheinungen vorgekommen.
Unterdessen rupfte Koraxxon mit wütendem Gebrüll einige der aus dem Erdreich ragenden Pflanzenarme aus und zerfetzte sie mit den Raubtierzähnen, zerriss sie und warf die Einzelstücke von sich. „Was ist los, willst du erst warten, bis sich hier jeder Grashalm gegen uns wendet oder auch noch die Monde übellaunig auf uns sind?“, rief er.
Aber Rajin hörte ihn nicht.
„Bjonn!“
Er glaubte plötzlich Nyas Stimme zu vernehmen. Ganz nahe, so vertraut und warmherzig, wie er sie in Erinnerung hatte. Er wandte sich herum, sah sie aber nirgends.
„Bjonn!“
Der Ruf hallte dutzendfach in Rajins Kopf wieder, und ein Schwall von Gedanken und Erinnerungen stiegen in ihm auf. Da fiel plötzlich ein grüner Lichtbalken, abgestrahlt vom Jademond, direkt vor ihn auf den Boden. Wo er auftraf, stand im nächsten Moment Nya vor ihm.
„Wo warst du so lange?“, fragte sie. „Sieh, was geschehen ist! Groenjyr hat uns zusammengeführt.“
Groenjyr, der Schicksalsgott lebte der Legende nach in einem Palast auf dem Jademond, wo er den Teppich des Schicksals webte. Zumindest glaubten die Seemannen daran. Allerdings nahm diesen Gott kaum jemand wirklich ernst. Eher die Furcht
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