Prinzessin auf Probe?
europäisches Erbe hatte sie in den vergangenen Jahren übersehen? Wie bittersüß diese Erinnerungen gewesen sein mussten, Erinnerungen an eine Heimat, die ihm entrissen worden war, gerade als er am Beginn seiner Jugend gestanden hatte.
Carlos öffnete die Tür zu einer großen, perfekt und luxuriös eingerichteten Küche, ging hinein und lehnte sich gegen die Frühstückstheke. „Das Personal hat freibekommen, aber sie haben alles vorbereitet, und ein Reinigungsteam kommt vorbei, wann immer wir es brauchen.“
Okay, das beantwortete die Frage nach einem menschlichen Puffer. Also musste sie ganz allein die Entscheidung treffen, ob sie heute Nacht allein oder in Carlos’ Bett schlafen wollte.
Begehren packte sie bei der Aussicht, das Bett mit Carlos zu teilen, und sie ließ den Mantel, den sie so krampfhaft umklammert hielt, los, denn auf einmal war ihr ziemlich heiß. „Ich kann meine Teller selbst abwaschen, vielen Dank.“
Er öffnete den Kühlschrank, aus dem man eine ganze Armee hätte beköstigen können, und eine Sekunde lang bewunderte Lilah den Anblick seines knackigen Pos. „Was hältst du denn davon, wenn wir noch schnell etwas essen, bevor wir schlafen gehen?“, schlug er vor.
Eine Viertelstunde später saß Lilah in der Ecke eines gemütlichen Sofas, während sich Carlos auf der Couch ihr gegenüber ausgestreckt hatte. Im Kamin prasselte ein Feuer und wärmte ihre bloßen Füße, während der Duft von Kiefern- und Zedernholz den Raum durchzog.
In der Hand hielt sie einen Becher mit Punsch, und auf dem Couchtisch stand eine Auswahl von köstlichem Fingerfood. Carlos verschlang derweil ein großes Sandwich.
So effizient, wie er alles tat, aß er auch. Für ihn war Nahrungsaufnahme nichts anderes als Benzin für seinen Körper. Das Essen war notwendig, so wie er seine Hände vor einer Operation schrubben musste. Lilah bewunderte das an ihm. Er war reich und hätte viele Annehmlichkeiten genießen können, doch er hatte sich entschieden, sein Leben anderen zu opfern. Eine ehrenhafte Einstellung.
Durch ihren Job wusste sie, dass auch und gerade Menschen, die sich für andere aufopferten, leicht an Burnout erkrankten. Vielleicht brauchte Carlos diese Auszeit auch aus ganz anderen Gründen, selbst wenn es ihm nicht bewusst war.
Lilah nippte an ihrem Punsch. „Dieses Haus ist traumhaft.“
Ihr kam es vor wie eine Oase, nach all den Ereignissen der letzten Monate. Der Stress, als sie herausgefunden hatte, dass sie schwanger war, und diese Neuigkeit nicht mit Carlos hatte teilen können, hatte seinen Preis gefordert.
Carlos hatte sein Sandwich aufgegessen und wischte sich den Mund mit einer Serviette ab. „Nachdem mein Vater schließlich akzeptiert hatte, dass seine Söhne nicht zusammen mit ihm auf einer abgeschiedenen Insel zu leben gedachten, stellte er sicher, dass unsere anderen Immobilien bestens ausgestattet waren.“ Mit dem Becher in der Hand machte er eine ausschweifende Geste. „Auf diese Weise besteht nicht mehr unbedingt die Notwendigkeit, sich unters Volk mischen zu müssen.“
Ein kleiner Schauder durchfuhr Lilah, als sie daran dachte, was schon normale Eltern stets für Sorgen um ihre Kinder ausstanden – wie schwer musste es dann erst für Enrique Medina gewesen sein, seine Söhne in die Welt hinausziehen zu lassen?
Sie legte beschützend die Hand auf ihren Bauch. „Er hatte sicherlich Grund zur Sorge.“
„Natürlich. Aber ein Leben, das man im Verborgenen führt, ist kein Leben.“
„Selbst dann nicht, wenn man es im Luxus lebt“, ergänzte sie.
„Genau.“ Er warf die Serviette auf den Teller und schwang die Beine aufs Sofa, wobei es ihm fast gelang, das schmerzhafte Zusammenzucken zu verbergen. „Aber abgesehen von all dem, ist das hier ein idealer Ort für einen kleinen Urlaub. Es gibt sogar ein Golfzimmer mit einem Schlagsimulator. Nur den Weinkeller müssen wir diesmal wegen deiner Schwangerschaft wohl geschlossen lassen.“
Dieses Mal? Sie würden noch öfter herkommen?
Natürlich, sobald er anerkannt hatte, dass das Kind von ihm war, würden sich ihre Wege wohl häufiger kreuzen. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, aber Lilah wusste, dass ihr Leben mit dem der Medinas für immer verbunden war. So viele neue Sorgen waren in letzter Zeit auf sie eingestürmt, dass sie Mühe hatte, alles zu verkraften.
„Die Sauna ist wohl auch tabu für dich. Ich meine mich zu erinnern, dass ich während des Studiums gelernt habe, dass schwangere Frauen weder Sauna noch
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