Prinzessin in Pink
lehrreich. Man erfährt, welche Stereoanlage in
einem Porsche am besten klingt oder woran man merkt, ob ein Mann eine Affäre mit seiner Sekretärin hat. Tina liest regelmä ßig die Playboys ihres Vaters. Sie sagt, es ist besser, seinen Feind zu kennen … und wir sind beide der Meinung, dass der Feind, (den Playboy -Artikeln nach zu urteilen) sehr, sehr komisch drauf ist.
Und krankhaft auf Autos fixiert.
Irgendwann ging Mom dann doch die Luft aus. Unser kleines Gespräch tröpfelte nur noch so vor sich hin. Sie blieb noch kurz sitzen und guckte sich in meinem Zimmer um, das nur mittelmäßig chaotisch aussieht. Ich bin eigentlich ziemlich ordentlich, weil ich immer erst aufräume, bevor ich Hausaufgaben mache. Das muss sein. Ich brauche eine geordnete Umgebung, um geordnet denken zu können. Oder liegt es daran, dass mich Hausaufgaben so langweilen, dass mir jede Ausrede recht ist, um sie rauszuschieben?
»Sag mal, Mia«, fragte Mom, nach einer langen Pause. »Wieso liegst du eigentlich immer noch im Bett? Sonst geht ihr doch sonntags immer Dim Sums essen?«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wollte Mom nicht sagen, dass Dim Sums wahrscheinlich so ungefähr das Letzte sind, woran irgendeiner von uns heute denkt. Jetzt, wo Boris und Lilly anscheinend nicht mehr zusammen sind, meine ich.
»Hoffentlich bist du nicht sauer auf Frank, weil er dir die Party versaut hat«, sagte Mom. »Aber ernsthaft, Mia. Du und Lilly, ihr seid eigentlich zu alt, um solche albernen Spiele wie ›Sieben Minuten im Paradies‹ zu spielen. Was habt ihr denn gegen Apfelbeißen?«
Ich zuckte wieder mit den Schultern. Was sollte ich sagen? Dass ich nicht wegen Mr G schlecht drauf bin, sondern weil mein Freund nicht mit mir zum Abschlussball will? Lilly hat Recht: Der Abschlussball ist bloß ein dämliches, heidnisches Tanzritual. Wieso liegt mir so viel daran?
»Na gut.« Mom stemmte sich umständlich von der Bettkante
hoch. »Bleib ruhig liegen. Ich werde dich garantiert nicht davon abhalten. Ich würde ja selbst gern im Bett bleiben, aber ich bin ja eine alte schwangere Frau und keine fünfzehn mehr.«
Und damit ging sie. DANKE, LIEBER GOTT. Nicht zu fassen, dass sie echt mit mir über Sex reden wollte. Wegen Michael. Kann sie sich nicht denken, dass Michael und ich noch mitten in Phase eins feststecken? Wie alle anderen auch. (Außer Lana. Glaub ich jedenfalls, seit ich das Graffiti gelesen hab, das jemand in den Ferien an die Turnhallenwand gesprüht hat. Ach ja, und seit neuestem wohl auch Lilly.)
Oh nee! Meine beste Freundin ist in einer höheren Phase als ich. Und dabei bin ich diejenige, die mit dem Mann ihres Lebens zusammen ist. Nicht sie .
Es ist echt gemein.
Sonntag, 4. Mai, 19 Uhr, zu Hause
Anscheinend ist heute der offizielle »Erkundigt euch nach Mias seelischer Verfassung«-Tag. Ständig rufen Leute an und fragen mich, wie es mir geht. Gerade hat Dad angerufen. Er wollte wissen, wie die Party war. Einerseits war das erleichternd - also hatten weder Mom noch Mr G ihm von den »Sieben Minuten im Paradies« erzählt (er wäre garantiert ausgerastet) -, aber auch blöd, weil ich ihn anlügen musste. Und obwohl Dad einfacher zu belügen ist als Mom, weil er nie ein Mädchen war und nicht weiß, wie meisterlich Mädchen lügen können (und anscheinend auch nicht, dass meine Nagelflügel beim Lügen immer zucken), ist es doch jedes Mal ziemlich nervenaufreibend. Immerhin hatte er mal Krebs und hat überlebt. Das kommt mir vor, als müsste ich jemanden anlügen, der so eine Art Lance Armstrong ist. Nur dass er nie die Tour de France gewonnen hat.
Naja, jedenfalls erzählte ich ihm, die Party wäre gaaanz, gaaaanz super gewesen.
Gut, dass er mich nicht sehen konnte. Sonst hätte er an meinen wild zuckenden Nasenflügeln bestimmt was gemerkt.
Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte es schon wieder. Ich stürzte mich aufs Telefon, weil ich dachte … ach, ich weiß auch nicht … dass vielleicht MEIN FREUND dran sein könnte. Na ja, Michael könnte mich ja auch mal anrufen, um zu fragen, wie es mir geht. Ob ich zum Beispiel vor lauter Kummer wegen des Abschlussballs untröstlich bin.
Aber anscheinend macht sich Michael um meine seelische
Verfassung keine Sorgen, weil er nicht nur nicht angerufen hat, sondern weil derjenige am anderen Ende des Hörers, den ich so vorfreudig ans Ohr hielt, alles andere als Michael war.
Es war nämlich Grandmère.
Und das Gespräch hörte sich ungefähr so an:
Grandmère: Amelia, hier ist
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