Prinzessin in Pink
deine Großmutter. Du musst dir Mittwochabend den siebten Mai frei halten, oui ? Mein guter alter Freund, der Sultan von Brunei hat mich ins »Le Cirque« zum Essen eingeladen, und ich möchte, dass du mich begleitest. Und kein Wort darüber, dass der Sultan seinen Rolls Royce verschrotten soll, weil die Abgase die Ozonschicht zerstören, verstanden? Du brauchst mehr Kultur in deinem jungen Leben, das ist ganz offensichtlich. Dein Gerede über die klügsten Haustiere der Welt oder diese Hausfrauenfilme, die du dir immer ansiehst, kann ich nicht mehr hören. Es ist höchste Zeit, dass du ein paar interessante, echte Menschen kennen lernst, statt Fernsehschauspieler oder die so genannten ›Künstlerinnen‹, die sich deine Mutter für ihre Frauen-Bingo-Abende nach Hause einlädt.
Ich: Okay, Grandmère. Wie du meinst, Grandmère.
Was ist an dieser Antwort, bitte schön, auszusetzen? Welchen Teil von »Okay, Grandmère. Wie du meinst, Grandmère« würde eine NORMALE Großmutter verdächtig finden? Aber ich vergesse, dass meine Großmutter alles andere als normal ist. Sie blaffte nämlich sofort los.
Grandmère: Amelia, was ist los? Heraus mit der Sprache. Ich habe nicht viel Zeit. Ich muss gleich mit dem Duc di Bomarzo dinieren.
Ich: Nichts ist los. Ich bin nur … ich hab eine kleine Depression, mehr nicht. Ich habe im letzten Mathetest nicht so gut abgeschnitten und das macht mich ein bisschen fertig...
Grandmère: B’öff . Was ist WIRKLICH los, Amelia? Und zwar kurz und knapp, wenn ich bitten darf.
Ich: Na GUUUUT. Es ist wegen Michael. Ich hab dir doch von dem Abschlussball erzählt und... na ja, er will gar nicht hin.
Grandmère: Ha! Ich wusste es. Er liebt immer noch dieses Stubenfliegen-Mädchen, oui ? Er geht mit ihr hin, oui ? Aber mach dir nichts daraus. Ich habe irgendwo die Handy-Nummer von Prinz William. Wenn du willst, rufe ich ihn an und er fliegt auf schnellstem Wege her und geht mit dir zu deinem kleinen Ball. Dann kann dieser undankbare …
Ich: Nein, Grandmère. Er geht mit niemand anderem hin. Er will gar nicht hin. Er… er findet Abschlussbälle albern.
Grandmère: Mon dieu ! Sag nicht, dass er so einer ist!
Ich: Doch. Ich fürchte, genau so einer ist er.
Grandmère: Na gut, mach dir nichts daraus. Dein Grandpère war auch so einer. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir im Standesamt geheiratet und anschließend in einem Stehcafé einen Imbiss eingenommen. Der Mann hatte einfach keinerlei Sinn für Romantik, ganz abgesehen davon, dass das Bedürfnis der Untertanen nach Pomp und Prachtentfaltung befriedigt werden will.
Ich: Eben. Na ja, deshalb bin ich heute ziemlich fertig. Du Grandmère, wenn du nichts dagegen hast - ich muss jetzt echt Hausaufgaben machen. Ich muss auch noch bis morgen einen Artikel für die Schülerzeitung schreiben …
Ich hab ihr nicht gesagt, dass der Artikel von IHR handelt. Mehr oder weniger. Es ist nämlich der Artikel über den Vorfall im »Les Hautes Manger«. In der Sunday Times stand, dass sich die Geschäftsführung des Restaurants weiterhin weigert, Jangbu wieder einzustellen - also war Lillys Protestmarsch ganz umsonst. Außer dass sie dadurch einen neuen Freund gefunden hat.
Grandmère: Ah ja. Mach dich an die Arbeit. Du musst gute Zensuren schreiben, sonst wirft mir dein Vater wieder vor, dass du dich meinetwegen zu sehr mit höfischen Belangen beschäftigst und zu wenig mit Trigonometrie, oder was dir solche Probleme bereitet. Und mach dir nicht zu viele Sorgen wegen dieses Jungen. Der wird es sich schon noch anders überlegen, genau wie dein Großvater. Du musst ihm nur den richtigen Anreiz bieten. Adieu .
Anreiz? Wovon redet Grandmère? Welcher Anreiz könnte Michael dazu bringen, auf den Abschlussball zu wollen? Mir fällt kein einziger Anreiz ein, der ihm über sein offenbar tief verwurzeltes Vorurteil gegen Abschlussbälle hinweghelfen könnte.
Es sei denn, ich könnte ihn davon überzeugen, dass der Abschlussball so eine Art Kombination aus »Krieg der Sterne« /»Star Trek«/»Herr der Ringe«/ Computer-Messe und Abschlussball ist.
Sonntag, 4. Mai, 21 Uhr, zu Hause
Jetzt weiß ich, wieso Michael nicht angerufen hat. Weil er mir nämlich gemailt hat. Ich wollte gerade mit meinem Artikel fürs Atom anfangen und hab deswegen den PC angemacht.
LinuxRulz: Hey! Hoffentlich hast du wegen der Garderobenschrank-Geschichte gestern nicht zu viel Stress bekommen. Aber Mr G ist ja ziemlich cool drauf. Ich geh mal davon
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